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8 47 des Gesetzes über die Consulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (G.-S.
S. 197); aber wie stellt sich das bürgerliche Gesetzbuch zu der Frage: „ob
innerhalb des hiernach fixirten Geltungsbereiches die Bestimmungen des
bürgerlichen Gesetzbuches mit Ausschluss des Rechtes eines jeden anderen
Rechtsgebietes zur Anwendung zu bringen sind oder nicht?“
Ein Blick auf die den räumlichen Grenzen des Rechtes gewidmete
Literatur, und jeder einzelne Band der Entscheidungen des Reichsgerichtes
stellt uns die hohe praktische Bedeutung dieser Frage klar vor Augen, und
der täglich wachsende Weltverkehr wird auch unter der Herrschaft des
projectirten bürgerlichen Gesetzbuches diese Frage täglich als eine brennende
erscheinen lassen.
In dem Entwurfe sucht man aber vergebens nach einer Antwort. Die
Motive zu Art. 1 des Einführungsgesetzes begründen die hier beliebte Fort-
lassung der im $ 1 des Einführungsgesetzes zum deutschen Gerichtsver-
fassungsgesetze, sowie denjenigen zur deutschen Civilprocessordnung enthal-
tenen Worte, dass diese Gesetze von einem bestimmten Tage an „im
ganzen Umfange des Reiches“ in Kraft treten sollen, mit der Bemer-
kung, dass ein solcher Zusatz insofern nicht unbedenklich sei, als das ört-
liche Geltungsgebiet des bürgerlichen Gesetzbuches mit dem internationalen
Anwendungsbereiche der Vorschriften desselben sich nicht decke, der Herr-
schaftskreis dieser Vorschriften vielmehr mannigfach über das Gebiet des
Reiches hinausreiche, und das bürgerliche Gesetzbuch auch insoweit mit dem
Eintritt des noch festzusetzenden Termines Geltung erlangen müsse. Ver-
gebens durchforscht man aber den Entwurf sowie das Einführungsgesetz
nach einer Antwort auf die von diesen Motiven selbst angeregte Frage: „in
welchen Fällen denn der Herrschaftskreis des bürgerlichen Gesetzbuches über
das Gebiet des Deutschen Reiches hinausrage?* Unbeantwortet bleibt auch
die sich ohne Weiteres hieran anknüpfende Frage: „in welchen Fällen der
Herrschaftskreis der Vorschriften der Gesetzbücher anderer Staaten und
Reiche über ihre Grenzen hinaus in das Gebiet des Deutschen Reiches
hineinrage ?“
Sollte die Commission etwa geglaubt haben, durch Beantwortung dieser
Fragen die ihr gezogenen Grenzen der Ausarbeitung eines bürgerlichen
Gesetzbuches für das Deutsche Reich zu überschreiten? In Betreff der
letzteren Frage wäre diese Annahme offenbar falsch, denn das bürgerliche
Gesetzbuch für das Deutsche Reich ist gerade der rechte Ort zur Ent-
scheidung der Frage, ob neben seinen Vorschriften noch ein anderes Recht
geduldet werden soll, oder nicht? Aber auch die Beantwortung der ersten
Frage gehört nicht etwa den Verhandlungen von Staat zu Staat, also dem
öffentlichen Rechte an, sondern ist von dem Civilrichter auf Grund der Be-
stimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beantworten.
Dieser Mangel von Normen über das sogenannte internationale Privat-
recht muss desshalb als eine sehr bedenkliche Lücke bezeichnet werden; und