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Wechselnden, Flüchtigen, welches oft der individuellen Norm und
regelmässig sogar dem Individualgebote innewohnt. Wollte man
um desswillen den Ausdruck „Rechtssatz“ auf dasjenige objective
Recht beschränken, welches für unbestimmte Zeit und für eine
unbestimmte Anzahl von Fällen gelten will, so wäre über diese
Frage der Bezeichnung nicht weiter zu streiten. Dann würde
eben um desswillen die Individualnorm einen Rechtssatz nicht ent-
halten. Allein ungelöst wäre damit die Frage, ob nicht auch die
Individualnorm neues Recht schüfe, wenn man auch (wie mich
dünkt ohne durchschlagenden Grund) Bedenken trüge, dies neue
Recht als neuen Rechtssatz zu bezeichnen.
Unsere Frage ist also: begründet nur die abstracte Norm
oder ebenso auch die Individualnorm neues Recht?
Sofort begegnet uns hier eine eigenthümliche Erscheinung.
Von namhaften Philosophen wird angenommen, dass jeder wahre
Imperativ ein individuelles Moment enthalte.
SIGWwART, Logik I, S. 17. Vgl. indessen auch: Begriff
des Wollens (1879) 8. 6. 11.
Danach würde sich der Befehl in dem Individual-Gebote oder
-Verbote erschöpfen. Abstracte, an eine unbestimmte Anzahl von
Personen und auch nur bedingt erlassene Imperative gäbe es
alsdann nicht. Diese Annahme hat ZITELMANN
Irrthum und Rechtsgeschäft (1879) 8. 222
verführt, in den Rechtssätzen allgemeiner Art überhaupt keine
Imperative, vielmehr nur hypothetische Urtheile zu erblicken.
Hiergegen hat sich, soviel ich sehe, die gesammte Kritik erklärt.
Mein Aufsatz „Der Rechtsbegriff“ in Grünhut’s Zeit-
schrift VII (1880) S. 246 Anm. 12.
SCHLOSSMANN, ebenda S. 550.
BierLing, Zur Kritik der juristischen Grundbegriffe II
(1883) 8. 17. 281 £.
Binpiıng, Handbuch des Strafrechts I (1885) S. 158,
Anm. 8 a. E.