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ich absehen von dieser, immerhin nicht einwandfreien Construction
— schon um desswillen, weil sie für die Zeit vor dem Inkraft-
treten des Strafgesetzbuches unanwendbar wäre. Immer aber steht
eine derartige Ausweisung durch die Landespolizeibehörde unter
der Herrschaft jener abstracten einzelstaatlichen Norm. Auch in
diesen wie in den vorigen Fällen kann man mithin die einzelne
Ausweisung als Verwaltungsact bezeichnen. Sie schafft nicht die
Norm, sie enthält keine neue Rechtssetzung, sie erbringt nur die
Vorbedingung für das Concretwerden der (in den letztbesprochenen
Fällen nicht auf Gesetz, sondern auf Gewohnheit beruhenden) ab-
stracten Norm.
(serade hierin steht es mit der Ausweisung von Inländern
anders. Auch in Frankreich bestand vor dem angezogenen Ge-
setze keine Norm, welche den Häuptern gewisser Familien wenn
auch nur bedingt das Heimathland verschloss. Jenes Gesetz
schuf mithin erst die Norm selbst, mögen wir sie als abstracte oder
als individuelle nehmen. Darum ist aber jene Ausweisung nicht
bloss Verwaltungsact: sie ist der rechtssetzende Act selbst. Nicht
anders würde es stehen, wenn über die Grenzen der völkerrecht-
lich und staatsrechtlich gestatteten Ausweisungen von Ausländern
hinaus alle Angehörigen eines fremden Staates des Landes ver-
wiesen werden sollten. Hier würde, wie bei den Ausweisungen
der Deutschen aus gewissen französischen Departements, welche
unter dem 28. August und 5. September 1870 verfügt wurden
(ihre völkerrechtliche Zulässigkeit bei Seite gesetzt), eine neue
Rechtsbildung, nicht bloss Rechtsanwendung sich vollziehen.
Es leitet dies über zu einem anderen möglichen Einwand.
„Es muss doch einen Begriff für Rechtsgesetz geben: denn als
z. B. in Preussen noch keine Verfassung bestand, und die ge-
sammmte staatliche Gewalt in einer Hand unbeschränkt vereinigt
war, haben sich doch unzweifelhaft die einzelnen Regierungshand-
lungen des Königs durch begriffliche Merkmale derartig von
einander unterschieden, dass man sagen konnte: diese war eine
Archiv für Öffentliches Recht. V. 2. 12