— 191 —
die Menschheit, ja nach Krause, dem es an der Menschheit noch
nicht genug ist, selbst die Gesammtheit der „Wesen aller Welten“.
Diesen Ausschreitungen der organischen Staatslehre gegen-
über war es ein grosses Verdienst GERBER’s, eine juristische
Methode auf dem Gebiete des Staatsrechtes inaugurirt zu haben,
deren Werth heute freilich nur der schätzen kann, der den phrasen-
reichen Bombast der älteren organischen Staatslehre kennen ge-
lernt hat. Die Grundlage dieser neuen Richtung gab GERBER
in seinen „Grundzügen des Staatsrechtes“ ’’) durch Ausscheidung
aller in das Rechtsgebiet nicht gehörigen Elemente aus dem Be-
griffe der Persönlichkeit unter Festhaltung der Erkenntniss, dass
der Staat eine Persönlichkeit sei.
Seit GERBER’s Ausführungen wurde der Begriff der „Person“
auf das Rechtsgebiet beschränkt. Persönlichkeit schrieb man
von da an nicht mehr jeder Vielheit von wirklichen oder suppo-
nirten Wesen zu, die in irgend einer psychischen Beziehung, wie
Sprache, Sitte, Religion u. s. w. geeinigt sind. Es verschwand
damit auch der Ausdruck „moralische“ oder „mystische“ Person,
der zu einer derartigen Ausdehnung des Persönlichkeitsbegriffes
Veranlassung bot und an seine Stelle trat die „juristische“ Person,
welche jene Beschränkung auf das Rechtsgebiet schon im Ausdruck
charakterisirte.e Dafür aber war durch GERBER’s Ausführungen
ein für alle Rechtsgebiete einheitlicher Begriff der Persönlich-
keit gefunden worden: er fällt uns seither zusammen mit dem
Begriffe der Rechtsfähigkeit. So irrelevant aber nun nach dieser
Begriffsbestimmung der Inhalt des Rechtes ist, um dessen Sub-
ject es sich handelt, so sehr ist damit der völlige Inhaltsmangel
des Rechtselementes in diesem Begriffe gegeben. Indem man die
Einheitlichkeit desselben für alle Rechtsgebiete annimmt, wird
man dazu gezwungen, die Identificirung der Begriffe „juristische
Person“ und Vermögensfähigkeit aufzugeben und sich darüber klar
lebt bei Limperen, Grundbegriffe des St.-R.’s 1869. — ®) Erste Aufl. 1865. —