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Wirkungen dieser geistigen Functionen handelt, so unmöglich
ist es, für Jeden, der sich von Mystik frei halten will, in diesem
Processe ein psychisches Leben einer Gesammtheit zu er-
blicken. Jedenfalls lässt sich selbst durch eine derartige An-
nahme nicht die Thatsache aus der Welt schaffen, dass der ein-
zelne Mensch, der als Organ fungirt, jene psychischen Functionen
erzeugt hat. Und dass sie rechtliche Wirkungen äussern, lässt
sich ebenfalls nicht leugnen. Ich bin daher nicht im Stande, auf
Grund des Willensdogmas zu einem anderen Schlusse zu kommen,
als zu der Annahme, dass derjenige, der den Willen eines Ge-
meinwesens zu erzeugen berechtigt ist, auch das Subject seiner
Rechte sei.
Nun wäre dieser Schluss, der ja oft genug gezogen wurde,
vielleicht erträglich. Wie verhält sich aber die Sache angesichts
(ler weiteren Thatsache, dass fast jedes Gemeinwesen mehrere
\Villensträger besitzt, deren jeder innerhalb seiner Competenz
den Willen des Gemeinwesens hinsichtlich seiner rechtlichen Folgen
zu erzeugen vermag? Was wäre die Folge nach dem Willens-
logma? Aufsichtsrath und Generalversammlung in der Actien-
gesellschaft, Gemeindeausschuss und Bürgermeister in der Ge-
meinde, Krone, Parlament und Richter im Staate, sie alle wären
eben so viel Rechtssubjecte! Dass sich damit die uns selbstver-
ständlich scheinende Einheitlichkeit aller dieser Gemeinwesen
nicht verträgt, liegt auf der Hand.
Noch einleuchtender wird die Unmöglichkeit einer derartigen
Annahme, wenn man bedenkt, dass die verschiedenen Willens-
träger eines Gemeinwesens Willensäusserungen abgeben können,
die mit einander im Widerspruche stehen. Nun mag sich frei-
lich einer eberflächlichen Betrachtung der Einwand aufdrängen,
dass ja die Verfassung des Gemeinwesens Mittel an die Hand
geben sollte, derartige Willensconflicte zu lösen. Aber eine der-
artige Einigungsmöglichkeit besteht nicht überall.
Nie fehlt bei allen dem Staate untergeordneten Privat-Cor-