Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

— 210 — 
Ausdruck nicht des modernen Staates, sondern des mittelalter- 
lichen Zusammenlebens jener zwei einander unabhängig gegenüber- 
stehenden Persönlichkeiten, der beiden „Schwerter“ der deutschen 
Rechtsquellen, welches, so nothwendig und nützlich seinerzeit die 
Milderung des weltlichen „Schwertes“ durch die höheren Ziele 
des geistlichen gewesen sein mochte, nie ein Ausdruck der in sich 
einheitlichen modernen Staatsidee sein und werden konnte. 
Die irrigen Consequenzen des Willensdogmas zeigen sich 
übrigens noch in vielen anderen Beziehungen. So in der bis in die 
neueste Zeit herrschenden Idee der selbständigen Persönlichkeit des 
„Volkes“ neben dem Staate; der Begriff „Volksvertretung“ ist ein 
ebenso sinnloser Ausdruck jenes Gedankens, wie das „Mandat“ 
des einzelnen „Volksvertreters“; denn die Gesammtheit der Wähler 
ist trotz der Einheitlichkeit ihres Willens ebensowenig eine Per- 
sönlichkeit, wie die der Wähler eines einzelnen Bezirkes. 
Der neueren Literatur des Staatsrechtes muss zum Vorwurf 
gemacht werden, dass sie diesen Widerspruch zwischen dem W illens- 
dogma und der Einheitlichkeit der Persönlichkeit des Gemeinwesens 
ebensowenig erkannte, wie seinerzeit die Naturrechtslehrer. 
Die Anhänger der organischen Staatslehre, wie STEIN, SCHULZE, 
GIERKE, PREUSS u. A. nehmen, wie oben schon erwähnt, einfach 
an, dass die Organe der Gesammtpersönlichkeit selbst wieder Per- 
sonen seien, ja dies soll nach einigen durch das Wesen des Or- 
ganismus „bedingt“, aber „für das privatrechtliche Denken un- 
fasslich sein“ !°®), Diese Annahme ist nun allerdings die einzig 
richtige Consequenz des Willensdogmas; aber für den Sprach- 
gebrauch und das Rechtsbewusstsein führt sie zu ganz unerträg- 
lichen Resultaten. Jedes Ministerium, jede Verwaltungsbehörde, 
jedes Gericht wären darnach ebensoviel juristische Personen und 
doch wären sie alle nur eine juristische Person! Dagegen ge- 
halten wäre ja der Versuch, das Dogma der Dreieinigkeit zu 
begreifen, eine Kleinigkeit! LABAannD!®*) hat daher von seinem 
1880. S. 129. -— '°%) GIeRKE in Schmoller’s Jahrb. 1883. S. 32. -- 154) Staats-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.