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allein der Staat kann dies nur vermöge seiner Macht und theilt
daher diese schöpferische Kraft mit anderen Machtfactoren, welche
eine Mehrheit zur Verfolgung eines Gesammtzweckes und Bildung
eines einheitlichen Willens vereinigen, wie religiöse Vorstellungen
oder gewillkürte Zwecke anderer Art. Er allein aber vermag,
und zwar in Folge seiner souveränen Macht, diesen Gemeinzweck
als einen für den staatlichen Machtbereich wirksamen anzuerkennen,
indem er dem zu seiner Verwirklichung bestimmten Willen recht-
liche Kraft verheisst und verleiht. Hiedurch erst wird aus einem
(Gemeinwesen eine juristische Person. Es gibt daher zahlreiche
Gemeinwesen, welche nicht juristische Personen sind. Hieher
gehören nicht nur alle verbotenen Vereinigungen, sondern auch
die blos geduldeten, wie politische oder sociale Parteien, Wahl-
oder wirthschaftliche Cartelle, parlamentarische Clubs u. s. w. 17),
Es ist somit allerdings, wie PFEIFFER bemerkt ?1°), ein Unding
von unerlaubten juristischen Personen zu sprechen ; aber von
verbotenen oder nicht genehmigten Gemeinwesen kann man
sehr wohl sprechen und gerade dies Moment übersieht die ro-
manistische Fiktionstheorie gänzlich.
Selbstverständlich kann sich die staatliche Anerkennnng auch
in concludenten Thatsachen manifestiren, wie bei der Erwerbung
von Corporations-Rechten durch unvordenkliche Verjährung. Auch
kann die Anerkennung seitens des Staates ein für alle Mal bei
Eintritt gewisser Thatsachen durch Gesetz in abstracto verheissen
sein, in welchem Falle natürlich durch Setzung der entsprechenden
thatsächlichen Umstände der Erwerb der Rechtsfähigkeit ohne
Weiteres eintritt 219).
Schon in dem Begriff der Rechtsfähigkeit aber liegt es, dass
die Quelle derselben, die staatliche Rechtsordnung, sich selbst
als - Subjekt allen Rechtes, mithin als juristische Person setzen
muss; mit der Anerkennung dessen, dass der Staat ein Gemein-
17) Vgl. BoLzE a. a. O. 8. 84, 85. — ?!%) Die Lehre von den jur. Per-
sonen 8. 26. — *1%) S, darüber GIERKE, Gen.-Theorie S. 54 ff., 114 ff. —