— 232 —
alleinige Erzeuger des staatlichen Willens ist ?°'). Nur die Erkennt-
niss, dass ein Gesammtzweck trotz seiner Octroirung und trotz
der Octroirung des zu seiner Realisirung bestimmten Willens die
Grundlage der Verfassung eines Gemeinwesens sein kann, macht
es möglich in dem anstaltlichen Typus die Basis für eine mit dem
Subject des herrschenden Willens nicht zusammenfallende Persön-
lichkeit des Gremeinwesens zu erblicken.
Die Normen für die Bildung des Gesammtwillens, der
die Zwecke eines Verbandes zu realisiren hat, sind für die Sub-
sumtion eines concreten Verbandes unter die angegebenen Typen
von nebensächlicher Natur; wenngleich die Normen, welche die
Bildung eines einheitlichen Verbandswillens ermöglichen, die
genossenschaftliche, bezw. anstaltliche Tendenz sicherstellen und
22!) Gleichwohl hat SEypEtL (Grundzüge einer allg. Staatslehre) auch für den
modernen Staat die HaALLer’schen Ideen wieder aufgenommen und ist so der
erste Repräsentant der heutigen „soliden Wissenschaft“ geworden, deren
Entstehen HALLER (Restauration I. S. 36) in prophetischem Geiste geahnt
hat. Der Widerspruch, in den SEYDEL verfällt, ist derselbe, der schon bei
MAURENBRECHER zu bemerken ist (man vgl. dessen Werk „Die deutschen
Fürsten ete.* S. 169 ff. mit S. 322 ff.). Er erklärt, dass „der staatsbeherr-
schende Wille kein egoistischer sei, der Herrscher nicht individuelle Inter-
essen, sondern die Gesammtinteressen zu wahren habe* (Grundzüge 8. 8),
meint aber diese Schranke sei keine rechtliche, sondern „eine natürliche,
d, h. aus der Natur der Herrschaft selbst abgeleitete“. Dieser Satz aber
(der aus HarLer’s Restauration stammt, vgl. das. I. S. 516) widerspricht
jenem ersteren; denn wenn eine Herrschaft so weit reicht, dass sie nur durch
natürliche Grenzen beschränkt ist, so wird sich der Herr zur Rücksicht-
nahme auf andere als egoistische Zwecke nicht bestimmen lassen. Wenn
der Herr alles darf, was er kann, so wird die Annahme eines Gesammt-
zweckes eine Fiktion. Neuestens hat übrigens C. BoRNHAK SEYDEL noch über-
boten. Man könnte ihn das enfant terrible der patrimonialen Staatsidee
nennen. In seinem Preussischen Staatsrecht (1888 I. S. 65, 66) sagt derselbe.
„Staat und Herrscher sind identische Begriffe. Den einzig richtigen Aus-
druck hat Ludwig XIV. diesem monarchischen Princip gegeben in seinem
viel verkannten (!) Ausspruch: L’ötat c’est moi. Der Herrscher ist nicht
Träger der Staatspersönlichkeit, sondern mit ihr identisch; nur die Iden-
tificirung von Staat und Herrscher enthält die logische (!!)
Rechtfertigung des Staates.“ Besonders für Republiken einleuchtend. —