Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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allgemein nicht nur Heilige und Engel, sondern selbst den christ- 
lichen Gott als Rechtssubject betrachtet?*%).. Was nun zunächst 
die heidnische Auffassung der Götter als Rechtssubjecte betrifft, 
so war dieselbe eine ganz berechtigte, wenn man bedenkt, bis zu 
welchem Grade anthropomorphistisch speciell die griechische und 
römische Mythologie gewesen ist und wie sehr die heidnischen 
Gottheiten trotz manchen übermenschlichen, doch auch mit allen 
menschlichen Eigenschaften, daher auch mit egoistischen Trieben 
ausgestattet wurden. 
Wenn man ferner die dienende Rolle in’s Auge fasst, welche 
die Religion bei den Römern gegenüber dem Staatswesen und 
seinen Interessen spielte, so erscheint es ganz begreiflich, dass das 
klassische römische Recht die Götter als Rechtssubjecte auflasste, 
indem es einen freilich beschränkten Kreis von vermögensrecht- 
lichen Interessen zum Selbstzweck erhob und die Priester (zum 
Theil unter Mitwirkung staatlicher Behörden) zur Realisirung der- 
selben berief. Das Subject dieser Interessen ist aber kein physi- 
sches Individuum, auch keine Gesammtheit, sondern ein gedachtes 
Willenscentrum. Dieses auf dem Rechtsgebiete zum Selbst- 
zweck zu erheben, ist dem Gesetzgeber möglich, wenn er an 
dessen Existenz, mag sie auch eine überirdische sein, glaubt 
oder doch zu glauben befiehlt. Die rechtlichen Wirkungen des 
Glaubens und des Wissens, deren Gegensätzlichkeit ja überhaupt 
eine sehr fragwürdige ist, fallen eben zusammen; ob ein Wesen, 
an dessen Existenz und Willensfähigkeit, sowie Willensäusserungen 
ich glaube, „wirklich“ existirt oder nicht, wird auf meine Hand- 
lungen keinen Einfluss üben; die Ueberzeugung von der Wirk- 
lichkeit desselben ‚macht ja eben meinen Glauben aus. Hiezu 
kommt noch, dass den Römern jene Annahme erleichtet wird 
  
  
S. 246, 262 ff.; Brmz, Pandekten, 2. Aufl. III. 2. Abth. S. 497 ff.; Mommsen, 
Röm. Staatsrecht II. I. S.58 ff.,;, Meurer a. a. O. I. S. 270 ff.; GIERKE 
a. a.0. III. S. 62ff.; E. Lönmg Gesch. des d. Kirchenrechtes I. S. 216, 
I. S, 633 ff. — **°) Heuster, Instit. I. S. 314.
	        
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