Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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durch die naiv-sinnliche Anschauung, welche in dem Bild oder 
der Statue des Gottes diesen selbst verkörpert fand, so dass jene 
Interessensphäre hiemit ein sichtbares Subject gewonnen hatte 
und dem Glauben nur mehr die Beseelung des Götterbildes übrig 
blieb. Darum ist meines Erachtens die Rechtsfähigkeit der römi- 
schen Gottheiten im Princip ganz die gleiche wie die des römischen 
Bürgers, mögen auch in zahlreichen Beziehungen Abweichungen 
von derselben hinsichtlich ihres Umfanges und der Rechtsreali- 
sirung bestanden haben ?*!), 
Die anthropomorphistischen heidnischen Anschauungen gingen, 
wie natürlich, trotz des Christenthums in die mittelalterliche 
Cultur über. Genau wie die heidnischen Gottheiten werden jetzt 
Engel und Heilige als Rechtssubjecte aufgefasst, nur dass die wo- 
möglich noch naiv-sinnlichere Auffassung dieser Zeit die Indivi- 
dualität der letzteren nicht in den Bildnissen, sondern in den 
Reliquien oder auch in dem Haus, der Kirche (als Bauwerk) ver- 
körpert fand. Ja selbst die naive Blasphemie wurde begangen, 
den christlichen Gott (oder Christus) als Rechtssubject, als Eigen- 
thümer zu betrachten und zwar nicht blos sporadisch, sondern 
ganz gewöhnlich und bis in die neueste Zeit??). Allein wenn- 
gleich im Princip die Auffassung Gottes: als Rechtssubjectes denk- 
bar wäre, wie ja das Beispiel des römischen Rechtes erweist, so 
widerspricht dieselbe doch unserem christlichen (ottesbegriff auf 
das entschiedenste. Sie mag seiner Zeit als Kampfmittel gegen 
die Säcularisationsgelüste in einer rohen und gewaltthätigen 
  
  
#41) GiERKE’s Darstellung a. a. O. S. 64, 65 scheint mir widerspruchs- 
voll zu sein. Einerseits soll „die Rechtssubjectivität der Götter neben 
die Befugnisssphären des populus und der privati als eine eigenartige dritte 
Institution treten“, „eine solche Rechtssubjectivität durchaus sui generis“ 
sein; andererseits soll aber dennoch damit „keineswegs der Gott ein der 
Allgemeinheit und dem Individuum coordinirtes drittes Centrum der Rechts- 
welt geworden sein“. Wie lassen sich diese Behauptungen zusammenreimen ? 
— 12) Man sehe die lange Liste von Autoren dieser Art bei HüBLer, Der 
Eigenthümer des Kirchengutes, 1868. S. 4 ff. und MEURFR a. a. O. 8.305 fi.
	        
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