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jene hierdurch Rechte erwürben; ja, wie Bruns?°!) und Rosın ?°?)
sehr richtig bemerken, schützt ja der Staat auch die Privatrechte
„im Interesse seiner Ordnung, der Rechtsordnung“. Es lässt
sich aber ein subjectives Recht ohne eine Willensherrschaft be-
griffllich nicht erfassen und darin liegt der richtige Kern des
Willensdogmas. Ein Rechtssubject kann man sich nicht denken
ohne einen diesem Subject angehörenden oder aber ihm in seinem
Interesse octroirten Willen, dessen Träger den bezüglichen Zweck
nach seinem Ermessen zu verwirklichen in der Lage ist, — soweit
nicht fremde oder öffentliche Interessen im Wege stehen. Dieser
Wille kann in jene Lage nur versetzt werden durch Normen der
Rechtsordnung, welche seine Aeusserungen mit rechtlicher Wirk-
samkeit bekleiden. Die Gewährung einer „Klage“ oder eines
„Anspruchs“ ist zwar ein sehr häufiges Mittel zur Erzielung dieses
Erfolges, aber durchaus nicht das einzige. Es stellt sich dasselbe
vielmehr nur auf gewissen Rechtsgebieten als ein geeignetes dar.
Wo die staatliche Autorität an sich einen derart wirksamen
Factor bildet, dass der Zwang entbehrlich erscheinen kann oder
wo ein solcher Zwang wegen der rechtlichen Eigenschaften des-
jenigen, an den ein Befehl adressirt wird, unmöglich ist, wie bei
jenen Imperativen, die sich an die im Staate höchsten Macht-
haber richten, da kann es auch Rechte geben, die nicht durch
den staatlichen Zwangsapparat geschützt sind ?°3), Derartige Rechte
sind zwar nicht so vollkommen entwickelt, wie jene ersteren, aber
sie gehören nichts destoweniger ins Gebiet des Rechtes, nicht in
das der Ethik. Denn es leidet wohl keinen Zweifel, dass das
Moment des Schutzes im Rechtsbegriffe in verschiedener Weise
abgestuft sein kann: Ein Recht wird desto vollkommener sein,
je schneller, sicherer, unabhängiger und unparteiischer jener
„Schutz“, den die Rechtsordnung der Willensdisposition gewährt,
ausgebildet ist. Von einem Recht wird man aber schon dann
251) In HoLTZENDORFF's Encyclopädie. 4. Aufl. S. 407. — 25°?) Souveräne-
tät etc. S. 23. — ?°®) Vgl. MERKEL in Grünhut’s Ztschr. VI. S. 388 ff.