Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

— 276 — 
begrifflichen Elemente Geltung erlangt haben, welche die Anhänger 
der organischen Staatslehre insoferne sie sich nicht in Träumereien 
oder poetische und mystische Bilder verlieren, als dem „organi- 
schen Princip“ wesentlich erklären, abgesehen von dem Momente, 
der Unwillkürlichkeit der Entstehung, dessen Werthlosigkeit 
für unsere Begriffsbestimmung ich bereits betont habe. Ich 
fasse diese Begriffsbestimmung kurz folgendermassen zusammen: 
1) ein einheitlicher eigener Gesammtzweck; 2) ein einheitlicher 
selbständiger Wille behufs Verwirklichung des ersteren. Darin 
ist schon enthalten, was in mehr oder minder vager und unklarer 
Weise als Charakteristikum des organischen Verbandswesens be- 
trachtet zu werden pflegt, dass nämlich der Wille, der durch die 
Normen, die ihn zum einheitlichen machen, nothwendig auch 
zum herrschenden wird, diese Herrschaft nicht zur Realisirung 
seiner eigenen Zwecke, sondern lediglich zu der des Gesammt- 
zweckes verwenden darf. Es lässt sich nicht läugnen, dass man 
diese Principien (deren Normirung im concreten Verbande seine 
„Verfassung“ darstellt) nicht besser, nicht treffender, vor allem 
nicht kürzer bezeichnen kann, als indem man das Gemeinwesen 
als eine Art des Begriffs „Organismus“ auffasst oder doch als 
eine Analogie zu demselben. Ob man das letztere oder das 
erstere wählt, ist ziemlich gleichgiltig und hängt nur davon ab, 
ob man den Begriff Organismus weiter oder enger fasst; ein Streit 
darüber ist also ein unfruchtbarer W ortstreit. 
Das Product der Kräfte, die wir im Organismus finden, 
nennen wir „Leben“; wir können daher auch, ohne den Vorwurt 
gewärtigen zu müssen, dass wir damit ein poetisches Bild ge- 
brauchen, dem menschlichen Verbandsorganismus ein „Leben“ 
zuschreiben, das in der Realisirung des Gesammtzweckes besteht, 
wie das Leben des physischen Organismus in der Verwirklichung 
der Zwecke besteht, die dieser sich setzt oder die ihm gesetzt 
sind; beide sind Zweckeinheiten, Entelechien. Die Einheit- 
lichkeit des Zweckes und des Realisirungswillens ist aber auch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.