Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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Aber freilich wird man dann genöthigt sein, wie im physi- 
schen ?7?), so auch im Verbandsorganismus als die Grundelemente 
dessen „Theile“ zu betrachten, von diesen aber die „Organe“ als 
diejenigen Theile, welche handelnd, beobachtend, urtheilend der 
Aussenwelt gegenübertreten, zuunterscheiden. „Organe“ werden 
wir sonach mit vollem Recht sowohl dem physischen als dem 
Verbandsorganismus zuschreiben, nur dass beim physischen Or- 
ganismus die Selbständigkeit ein Schein, beim Verbandsorganis- 
mus eine reale Wahrheit ist. 
Nicht alle „Theile“ des Organismus sind daher „Organe“; 
„Organ“ ist bloss jener Theil desselben, welcher den die 
Gesammtheit bindenden Willen erzeugt. Diese Unterschei- 
dung wird selten beachtet??*); der Mangel derselben führt dahin, 
dass z. B. Fricker den Bürger, wenn derselbe Steuer zahlt, als 
Organ des Staates handeln lässt?"°). Consequent müsste auch der 
Verbrecher, der gehenkt wird, in diesem Augenblick als staat- 
liches Organ fungiren. 
Auch ein lediglich opferbringender, beitragender Theil kann 
im organischen Verbande stehen, obwohl er vielleicht an der 
Willensherrschaft gar keinen Theil hat, wenn im Gesammtinter- 
esse auch das seinige verwirklicht wird und seine Opfer nur in- 
soweit gefordert werden, als die Realisirung jenes ersteren dieselben 
nöthig macht. Der lediglich geniessende und opfernde Theil des 
Organismus ist also nicht Organ; Organ wird er erst, wenn und 
insoweit er an der Willensbildung des Gemeinwesens Theil hat 
oder gar diesen Willen selbst und allein erzeugt. 
Ohne jede Berechtigung sind daher jene Bedenken, welche 
vom Standpunkte der organischen Auffassung gegen die Anwen- 
dung des Begriffes der Persönlichkeit und ebenso wenig jene, 
270) Vo]. Roux, Der Kampf der Theile im Organismus (1881). Derselbe 
unterscheidet Molekel, Zellen, Gewebe, Organe im physischen Organismus. — 
74) Andeutungen derselben finden sich aber schon bei mittelalterlichen Autoren. 
Vgl. Gmerke III. S. 555. — °°) Tübinger Ztschr. 1869. XXV. 8.40, 41. —
	        
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