Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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geeinigt; vielmehr bestehen im Gegentheile die verschiedenen 
Einzelinteressen unverbunden neben einander, ja sie stehen ein- 
ander feindlich gegenüber. Denn jeder Wähler hat ein in der 
Regel sogar gerichtlich verfolgbares Interesse daran, die Wahl 
seiner Collegen auszuschliessen; die Bedeutung seiner Stimme 
wächst in umgekehrtem Verhältnisse zu der Zahl der stimmenden 
Wähler. Die Wählerschaft ist daher zwar durch eine Willens- 
organisation in Form des Majoritätsverbandes geeinigt, aber sie 
ist keine juristische Person, kein Rechtssubject. Die Gewählten 
sind nicht die Organe der Wählerschaft wie im ständisch organi- 
sirten Staat, sondern Organe des bezüglichen Gemeinwesens. Dies 
zeigt sich in charakteristischer Weise in der Wirkungslosigkeit 
der ihnen ertheilten Instructionen, der Beifalls- oder Missfalls- 
bezeigungen der Wählerschaft. Andererseits üben sie das Wahl- 
recht doch nicht als bloss fremdes Recht aus, wie beispielsweise 
Mitglieder einer Behörde, die einen Vorsitzenden wählen u. dgl. 
Denn der Staat anerkennt das eigene Interesse der Wähler an 
der Abgabe der Stimme und dem gesetzlich bestimmten Werth 
derselben, indem er ihr eine ihn bindende Wirkung zuschreibt 
und dem einzelnen Wähler ein gerichtlich verfolgbares Recht auf 
seine Stimme gewährt. In diesem Falle ist also das Recht des 
Gemeinwesens seine Organe zu berufen getheilt zwischen ihm 
und der Wählerschaft. Die Vertheilung der Willensmacht ist im 
Allgemeinen die, dass" das Gemeinwesen durch Gesetz oder Statut 
mitwirkt bei der Wahl, indem cs die Bedingungen des Wahl- 
rechtes und der Wählbarkeit festsetzt, die Modalitäten seiner 
Ausübung regelt, je nach Umständen auch die Wahlen bestätigt 
und über ihre Giltigkeit durch seine Behörden judicirt; das 
Schwergewicht der Willensaction, die Nennung des zu Berufen- 
den aber liegt in der Hand des Wählers. Dass jedoch gegen- 
über dieser Theilung der Willensmacht die Rechtsordnung eine 
Interesseneinheit zwischen Wähler und Gemeinwesen annimmt 
und beabsichtigt, lässt sich nicht bezweifeln; auf der Ueberein- 
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