Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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1. Der Art. 4 der Reichsverfassung zählt in 16 Nummern 
diejenigen Angelegenheiten auf, welche der Beaufsichtigung und 
Gesetzgebung seitens des Reiches unterliegen. — Wo nun das 
Reich von der ihm hiernach zustehenden Befugniss, die betreffende 
Angelegenheit durch Reichsgesetz zu regeln, Gebrauch gemacht 
hat, haben wir es mit einer reichsrechtlich geordneten Materie 
zu thun, welche somit durch die Landesgesetzgebung nicht ohne 
Weiteres geändert oder ergänzt werden darf. 
2. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die „Materie* grund- 
sätzlich von der Reichsgesetzgebung betroffen, ex professo durch 
dieselbe geregelt ist; ist nur ein einzelner genau bestimmter Kreis 
aus den in Art. 4 bezeichneten Angelegenheiten herausgegrifien 
und reichsrechtlich geregelt, so ist es der Landesgesetzgebung 
unbenommen, den durch die Reichsgesetzgebung nicht betroffenen 
Theil der betreffenden „Materie“ ihrerseits zu regeln. 
Indem z.B. Art.4 No. 13 der Reichsverfassung die Ordnung 
„des gerichtlichen Verfahrens“ der Reichsgesetzgebung überweist, 
sind gleichwohl die Bundesstaaten nicht behindert, das Verfahren in 
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit so lange 
selbständig zu regeln, bis das Reich dies Gebiet grundsätzlich zum 
(regenstande seiner Gesetzgebung gemacht hat; der Umstand, dass 
„die streitige Gerichtsbarkeit“ durch die sog. Reichsjustizgesetze ex 
professo geordnet worden, schliesst die gesetzgeberische Thätigkeit 
der einzelnen Bundesstaaten auf dem Gebiete der freiwilligen Ge- 
richtsbarkeit ebensowenig aus, wie die Thatsache, dass reichsrecht- 
lich bereits einzelne Vorschriften über das Verfahren bei der Auf- 
nahme von Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erlassen sind; 
vgl. z. B. 8 76, Abs. 2 C.-P.-O.; Art. 238° des H.-G.-B.’s (in 
der Fassung des Gesetzes vom 18. Juli 1884 R.-G.-Bl. S. 123). 
Dagegen ist da, wo eine grundsätzliche Regelung einer 
der in Art. 4 der Reichsverfassung aufgezählten Angelegenheiten 
im Wege der Reichsgesetzgebung stattgefunden, jeder Eingriff 
der Landesgesetzgebung ausgeschlossen, dergestalt, dass diese auch
	        
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