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in der Ferne weilen, die uns absolut nichts angehen, nicht ein-
mal vermöge der Persönlichkeit des angeblich Geschädigten, in
der Art der mittelalterlichen Vehme vor unser Forum zu evo-
ciren, ist nirgends die Rede.“
Diese Behauptung wird nun aber von dem geltenden deutschen
Recht durchaus widerlegt. Wo immer Verbrechen des Ausländers
im Ausland mit Strafe bedroht werden — man vergl. die sorg-
fältige Zusammenstellung bei Binpıng, Handbuch des deutschen
Strafrechtes Bd. 1 8. 427ff. —, nirgends wird der Aufenthalt des
Thäters im Inland oder seine Ergreifung als Bedingung der Straf-
barkeit oder als Bedingung für die Zulässigkeit des Strafverfah-
rens (als Processvoraussetzung) aufgestellt.
v. MARTITZ ist denn auch an einer späteren Stelle seines
Werkes genöthigt, einen stark veränderten Standpunkt einzunehmen,
ohne sich dieses Widerspruches bewusst zu werden. Er handelt
(a. a. 0. 8. 378 ff.) von den Auslieferungsverträgen, nach welchen
der ersuchende Staat die Auslieferung auch solcher landfremder
Verbrecher fordern kann, welche ausserhalb seiner Grenzen delin-
quirt haben. Als Voraussetzung des Auslieferungsbegehrens wird
hier nun behauptet, der Ausländer müsse „nach Verübung des
ihm zur Last gelegten Reates das Territorium des Staates, welcher
hinterdrein seine Sistirung verlangt, überhaupt betreten haben;
er muss von dort in der Absicht, der dort gegen ihn eingeleiteten
Untersuchung sich zu entziehen, flüchtig geworden sein. Erst auf
Grund dieser Flucht mag dann die Zurückstellung des Verdächtigen
von dem Aufenthaltsstaat mit Fug gewährt werden können“. In
der Anmerkung wird dann auf die soeben mitgetheilte Stelle des
eigenen Buches ausdrücklich Bezug genommen.
Nun ist aber unverkennbar, dass hier etwas ganz anderes
gesagt wird, als dort. Dort wird für die Zulässigkeit des Straf-
verfahrens Anwesenheit des Beschuldigten im Inland verlangt;
hier wird das Auslieferungsbegehren für zulässig erklärt, wenn
nur die Einleitung des Strafverfahrens während der Anwesenheit