Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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Hiernach hört es auf wunderbar zu sein, dass dieselbe Straf- 
sache ihre staatsrechtliche Zugehörigkeit im Instanzenzug wechselt, 
nicht principiell dem Reich, sondern dem Bundesstaat zu. Desshalb greift 
das Aufsichtsrecht des Reiches hier nicht Platz und die nur auf Verletzung 
von Landesgesetzen gestützte Revision gegen Urtheile der Strafkammern 
geht an die Oberlandesgerichte und nicht an das Reichsgericht. G.-V.-G. 
$ 123 No. 3. — Vielleicht ist es gestattet, bei dieser Gelegenheit auf eine 
in letzter Zeit vielfach erörterte Frage zu kommen, deren Beantwortung sich 
m. E. von der im Bisherigen gewonnenen Basis ergiebt, der Frage nämlich, 
ob das particularrechtlich den Landesherren zustehende Abolitionsrecht durch 
die Str.-P.-O. beseitigt ist? Es muss hier zwischen den durch Reichsgesetz und 
den particularrechtlich bedrohten Handlungen unterschieden und die staats- 
rechtliche und die processualische Frage auseinandergehalten werden. — Das 
staatsrechtliche Problem zeigt sich rein, wenn man die Frage dahin formu- 
lirt, ob die Abolition als Verbot der Strafklageerhebung, d. h. also inner- 
halb des staatsanwaltlichen Vorverfahrens zulässig ist? Eine processualische 
Schwierigkeit besteht hier nicht; denn gemäss G.-V.-G. $$ 147, 148 ist die 
Landesjustizverwaltung formell befugt, die Erhebung der öffentlichen Klage 
dem Staatsanwalt zu untersagen. Es fragt sich aber staatsrechtlich, ob sie 
dem Reiche gegenüber materiell berechtigt ist, dies in Ausübung des landes- 
herrlichen Abolitionsrechtes zu thun? Und das ist m. E. bei den durch Reichs- 
gesetz bedrohten Handlungen zu verneinen. Schon im Str.-G.-B., sodann 
ausdrücklich in der Str.-P.-O. wird bestimmt, dass die strafrechtlichen An- 
sprüche geltend gemacht werden sollen, sofern nicht gesetzlich etwas anderes 
bestimmt ist. Dem Kaiser steht das Abolitionsrecht in den Sachen, wo er 
das Begnadigungsrecht hat, nicht zu. Die Annahme, dass das Abolitionsrecht 
der Landesherren fortdauert, ergiebt ein im höchsten Masse irrationelles Er- 
gebniss. Denn die Wirkung der von einem Landesherrn vorgenommenen 
Abolition beschränkte sich auf seinen Staat; der Erhebung der Klage in 
einem anderen Bundesstaat stände nichts entgegen. Welche Wirkung also 
im Einzelfall die Abolition hätte, hinge von rein zufälligen Umständen ab. 
Ist in der Strafsache ein Gerichtsstand noch in einem anderen Bundesstaat 
begründet, oder würde er vor Ablauf der Verjährungsfrist durch Verlegung 
des Wohnsitzes künftig begründet, so kann die Sache in diesem anhängig 
gemacht, der Thäter hier bestraft werden. Ist es nicht der Fall, so bewirkt 
die Abolition dauernde Unzulässigkeit der Strafverfolgung. Das Bestehen 
eines derartig irrationellen Zustandes ist nicht zu vermuthen. — Bei den 
durch Landesgesetz bedrohten Handlungen liegt aber die Sache vollkommen 
anders. Die Criminalisirung ist ein Internum des betreffenden Staates; dieser 
konnte die Strafverfolgung facultativ vorschreiben, also auch wohl darüber Be- 
stimmungen treffen, wer dieselbe im Einzelfall anzuordnen hat, und ob die 
einmal getroffene Entscheidung unabänderlich sein soll oder nicht. Staats-
	        
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