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Standes abgeschlossen werden, bei denen nicht beide Nupturienten
dem hohen Adel angehören. Ein andere Ansicht?) will dagegen
nur die Ehen als nicht ebenbürtig ansehen, bei denen der eine
Theil überhaupt nicht adlich ist, so dass Ehen eines Mitgliedes
des hohen Adels mit einem Mitgliede des niederen Adels voll-
bürtig wären. Eine dritte Auffassung endlich®) schwächt die an
eine ebenbürtige Ehe zu stellenden Anforderungen noch mehr ab
und sieht als Missheirath nur an die Ehe eines Herrn aus einem
reichsständischen Hause mit einer unfreien Frau. Da es Personen
der letzteren Art nicht mehr giebt, so würde damit der Begriff
der Missheirath aus dem heutigen gemeinen Privatfürstenrechte
überhaupt verdrängt sein. Die Verfechter der strengsten Ansicht
geben jedoch dabei zu, dass der bloss reichsgräfliche oder neu-
fürstliche Stand, zu dem das Haus Lippe gehört, nicht so strenge
Grundsätze aufrecht erhalten konnte, wie der altfürstliche Stand’).
Das Rechtsbewusstsein über den Begriff der Missheirathen
zur Zeit des alten Reiches hat sich vorzugsweise in der Literatur,
deren Ansichten wie dargethan weit auseinandergehen, und in
Präjudicien, die naturgemäss in erster Linie die Hausverfassung
einer bestimmten Familie zu Grunde legen, ausgeprägt. Von
gesetzlichen Bestimmungen ist eine allgemeinere Bedeutung nur
einer Vorschrift in Art. 22 8 4 der Weahlcapitulation Kaiser
Karl’s VII. von 1742 beizumessen. Dieselbe war veranlasst durch
die Ehe des Herzogs Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen mit
der Kammerjungfer Philippine Cäsarea Schurmann, für welche
5) J. J. Moser, Familienstaatsrecht Bd. 2, S. 130; HEFFTER, Sonderrechte
der souveränen und der mediatisirten vormals reichsständischen Häuser,
S. 1; Leist, Staatsrecht $ 26; KLÜBEr, Oeffentliches Recht $ 303; GENGLER,
Deutsches Privatrecht $ 134.
©) ZÖPFL, Ueber Missheirathen in den deutschen regierenden Fürsten-
häusern S. 74 und Staatsrecht 88 74 ff.; MITTERMAIER, Deutsches Privatrecht
Bd. 2, $$ 378, 379.
”), Vgl. K.F. EıcuHorn, Ueber die Ehe des Herzogs von Sussex (1835), 8.129;
ZACHARIÄ a. a. O.; H. ScHuLze, Aus der Praxis des Staats- und Privatrechts
S. 235.