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Begriff der Ebenbürtigkeit unter dem hohen Adel Deutschlands
ausgebildet hatte. Insbesondere sind Ehen von Herren des hohen
Adels mit Frauen bürgerlicher Herkunft entweder von den Nup-
turienten selbst als unebenbürtig betrachtet und desshalb als
morganatische eingegangen oder von den Agnaten als Missheirathen
angefochten oder endlich erst durch den agnatischen Oonsens zu
vollgiltigen Ehen gemacht worden’). Gerade ein solcher Fall
gab denn auch die Veranlassung zur Aufnahme der Bestimmung
über Missheirathen in der Wahlcapitulation Karl’s VII. So
zweifelhaft der darin aufgestellte Begriff der unstreitig notorischen
Missheirath auch sein mag, so ergiebt sich doch dies aus der
Entstehungsgeschichte des Gesetzes, dass man die Ehe eines
Mannes von hohem Adel mit einer bürgerlichen Frau damit treffen
wollte, wenn auch eine Verständigung über die ausserdem als
Missheirathen zu betrachtenden Ehen nicht gelang. Mit Recht
hat daher diese Ansicht noch neuerdings die Billigung des Reichs-
gerichts gefunden 1°).
Bedenklich erscheint es dagegen, ob man die Unebenbürtig-
keit nicht nur des Bürgerstandes, sondern auch des gesammten
niederen Adels mit dem hohen Adel, die ja allerdings in zahl-
reichen Hausverfassungen ausgesprochen ist, als gemeines deut-
sches Privatfürstenrecht betrachten und auch da, wo eine haus-
gesetzliche Bestimmung fehlt, zur Anwendung bringen kann. Eine
Bejahung der Frage ist um so schwerer, als es sich ja hier nicht
um eine principielle Beantwortung, sondern um eine solche mit
Rücksicht auf das fürstliche Haus Lippe handelt, und selbst von
der strengeren Richtung anerkannt wird, dass die Unebenbürtig-
keit des niederen Adels in den reichsgräflichen und neufürstlichen
®%) Vgl. die reiche Anzahl von Beispielen seit dem Mittelalter bis Ende
des 18. Jahrhunderts bei PÜürTTer, Missheirathen S, 29 ff.
10) Vgl. Entsch. des Reichsgerichts in Civilsachen vom 7. Mai 1880, Bd. 2
S. 145. Es handelte sich hier um die Ehe eines Fürsten von Salm mit
einer Frau aus dem niederen Bürgerstande.