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Häusern nicht zu voller Anerkennung gelangt sei. Selbst PüTTER!!)
kommt auf Grund des ihm vorliegenden reichen Materials bloss
zu dem Ergebnisse, dass eine allgemeine Observanz, welche für
die Ebenbürtigkeit der reichsgräflichen Familien mit dem niederen
Adel spräche, nicht recht nachweisbar sei, da immerhin noch ein
grosser Theil der reichsgräflichen Familien, eingedenk seiner
Standesgleichheit mit den reichsfürstlichen Häusern, an strengeren
Grundsätzen hinsichtlich der Ebenbürtigkeit festhalte. Eine all-
gemeine Rechtsüberzeugung hat sich augenscheinlich weder in der
Observanz der reichsgräflichen Häuser noch in der Literatur nach
der einen oder der anderen Richtung Geltung verschafit. Man
muss zu dem Ergebnisse gelangen, dass sich vielleicht hinsichtlich
der fürstlichen, keineswegs aber hinsichtlich der reichsgräflichen
Häuser in dem deutschen Privatfürstenrechte ein allgemeines Ge-
wohnheitsrecht über die Ebenbürtigkeit des niederen Adels aus-
gebildet hat. Es ist daher auf die Hausverfassung der einzelnen
ehemals reichsgräflichen Familien zurückzugehen, nach der sich
die Streitfrage allein entscheiden lässt.
Für das Lippe’sche Haus lässt sich eine solche Hausobser-
vanz aus einer Reihe einzelner Präcedensfälle sehr wohl ent-
wickeln. Der älteste bekannte Fall stammt aus dem 16. Jahr-
hundert. Ein Graf von der Lippe wollte ein Frl. von Reden zu
seiner gräflichen Gemahlin nehmen. Die Landstände erhoben
jedoch Einspruch, so dass er nur eine morganatische Ehe mit
ihr einging. Der aus dieser Ehe hervorgegangene Sohn wurde
nicht als Graf von der Lippe, sondern als Bernhardus de Lippia
bezeichnet und diente am Hofe des später regierenden Grafen
als Kanzler '?),
Der Sohn Philipp Ernst’s, Stifters der Linie Alverdissen,
Graf Friedrich Ernst, hatte sich 1722 mit Philippine Elisabeth
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m) A. 2.0.8. 448 fi.
12) Berichtet von PÜTTER, a. a. O. S. 447.
Archiv für öffentliches Recht. V. 8. 96