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in possessorio erkannt und Entscheidungsgründe nicht angegeben
hat, so muss er doch die kaiserliche Standeserhöhung für mass-
gebend erachtet haben, da sonst bei der unzweifelhaften Uneben-
bürtigkeit der Ehe von einem ruhigen Besitze des hohen Adels von
Seiten der Gräfin und ihrer Descendenz nicht die Rede sein
konnte.
Die Ehe des Grafen Friedrich Ernst enthält also keine Durch-
brechung, sondern im Gregentheile eine Bestätigung der Regel,
dass nach der Observanz des Lippe’schen Gesammthauses Ehen
der Mitglieder desselben mit Personen von gewöhnlichem niederen
Adel unebenbürtig sind.
Dagegen ergeben sich aus der Lippe’schen Hausobservanz
keine Momente dafür, dass auch die Ehen von Mitgliedern des
Hauses mit Personen von einer höheren Stufe des niederen Adels
jemals als unebenbürtig gegolten hätten. Vielmehr spricht der
brüderliche Vergleich von 1749, der, wie bemerkt, kein neues
Recht für die erbherrlichen Linien schaffen, sondern nur die in
dem Gesammthause lebendige Rechtsüberzeugung zum Ausdrucke
bringen will, ausdrücklich das Gegentheil aus. Die Folgen der
Unebenbürtigkeit der Ehe sollen hiernach erst dann eintreten, wenn
ein Mitglied der erbherrlichen Linien eine Person von geringerem
als freiherrlichen Stande geheirathet hat. Dieser bezeichnet als
das Mindeste, was in Bezug auf die Ebenbürtigkeit gefordert wird.
Fasst man die bisherigen Erörterungen zusammen, so ergiebt
sich als Inhalt der Lippe’schen Hausobservanz über die Eben-
bürtigkeit der Ehen Folgendes. Unebenbürtig sind Ehen der
Mitglieder des Hauses mit bürgerlichen oder einfach adlichen
Personen. Dagegen sind vollgiltig Ehen mit Personen, die dem
freiherrlichen Stande oder einer höheren Stufe des Adels ange-
hören. Ob dieser Adel ein landsässiger oder ein früher reichs-
unmittelbarer, ob er ein neuer oder ein alter stiftsmässiger ist,
erscheint gleichgiltig. Selbst eine von Hause aus unebenbürtige
Ehe kann durch nachträgliche Erhebung der Ehegattin in die