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Regierungsinstruction vom 23. October 1817 über das Polizei-
verordnungsrecht nicht mehr in Kraft stehen, keinen Anspruch
auf Geltung mehr erheben.
Diese weitläufige Auseinandersetzung über Wesen und Be-
deutung der Cabinetsordre vom 7. Februar 1837 war erforderlich,
um die Judicatur des Kammergerichtes in dieser Frage zu ver-
stehen oder vielmehr nicht zu verstehen. In constanter Recht-
sprechung, namentlich in den Entscheidungen vom 5. Juli 1883,
22. October und 20. November 1885°), erkennt das Kammer-
gericht die Cabinetsordre als geltendes Recht an, ohne diese An-
sicht zu begründen, ja anscheinend, ohne sich die bei der eigen-
thümlichen Fassung des Gesetzes eigentlich selbstverständliche
Frage nach der Bedeutung des Eingangssatzes vorzulegen. Dass
die Auffassung des obersten Gerichtshofes sich in keiner Weise
begründen lässt, dürfte sich aus den obigen Ausführungen hin-
reichend ergeben.
Aber selbst wenn jene Ansicht des Kammergerichtes richtig
sein sollte, so wäre doch die Cabinetsordre nur eines von mehreren
Fundamenten des Polizeiverordnungsrechtes. Daneben bliebe die
allgemeine Ermächtigung der Behörden, namentlich der Orts-
polizeibehörden zum Erlasse von Verordnungen über die Sonntags-
heiligung auf Grund des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 11. März
1850 vollkommen unberührt. Voraussetzung der Rechtsgiltigkeit
einer Verordnung auf Grund des letzteren Gesetzes wäre aller-
dings, da dasselbe die Regelung der Sonntagsheiligung nicht aus-
drücklich unter den Gegenständen des Polizeiverordnungsrechtes
aufzählt, dass die nach der Judicatur des Kammergerichtes er-
forderliche Probatio diabolica des besonderen Interesses des Be-
zirkes an der polizeilichen Regelung gelingt.
Das Kammergericht ist jedoch anderer Ansicht. In einer
neueren Entscheidung !°) führt es aus: „Nach 8 6 des Polizeiver-
waltungsgesetzes gehören Anordnungen gegen die Störung der Feier
der Sonn- und Festtage nicht zu den Gegenständen der ortspolizei-
®) Abgedruckt bei Jonow und KüntzeL, Bd. 4, S. 256 ff., bezw. Wochen-
schrift „Selbstverwaltung“ 1886, S. 100, 134.
1%) Abgedruckt bei Jouow und KüntzeL, Bd. 8, 8. 219,