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System des internationalen Strafrechts in seinem gegenwärtigen
Bestande. Inwiefern man von einem internationalen Strafrecht sprechen
kann, wird erst im vierten Kapitel „Auslieferungsrecht und internationales
Strafrecht“ entwickelt. Von den drei vorausgehenden Kapiteln behandelt
das erste „das Ausweisungsrecht“, das zweite „die Strafgerichtsbarkeit über
im Auslande begangene Verbrechen“, das dritte „die Staatsangehörigkeit im
internationalen Strafrecht“.
Das erste Kapitel ($8$ 2—4) führt den Nachweis, dass die Aus-
weisung in ihren verschiedenen Rechtsformen zu einer strafprozessualen
Einrichtung von internationaler Bedeutung sich nicht eignet. Gegen Inländer
angewendet steht sie in grundsätzlichem Widerspruch mit der aus dem Staats-
bürgerverhältniss auch für die Regierungen erwachsenden Rechtspflicht und
der völkerrechtlich gebotenen Rücksicht auf andere Staaten; soweit sie noch
vorkommt, trägt sie den Charakter einer Kriegsmassregel. Dies trifft auch
bei der in dem Reichsgesetz vom 4. Mai 1870 vorgesehenen Externirung von
Geistlichen zu, obwohl das Gesetz dieser Massregel, „um ihr den Mantel un-
anfechtbarer Legalität umzuhängen“, die Entziehung der Staatsangehörigkeit
vorausgehen lässt. Was die Ausländer angeht, so wird die Befugniss der
Kollektiv-Austreibung der Angehörigen aller auswärtigen Staaten oder eines
derselben, ausser dem Fall des Kriegszustandes und der Repressalien, vom
heutigen Völkerrecht gleichfalls verneint, während das Recht, einzelnen Aus-
ländern oder Klassen von solchen, um bestimmter, in der Persönlichkeit der
Betroffenen zutreffender Gründe willen, Zulassung und Aufenthalt zu verweigern,
als ein unzweifelhaftes Souveränetätsrecht erscheint, welches vor jeder vertrags-
mässigen Anerkennung besteht und durch Niederlassungs- und sonstige Ver-
träge wohl an einschränkende Bedingungen geknüpft, aber niemals beseitigt,
werden kann. Bei dieser bestimmten Betonung der Souveränetät des Auf-
enthalts-Staates befremdet es fast, wenn v. M. es tadelt, dass die Theorie,
in Festhaltung ihres naturrechtlichen Zustandes, ihren Ausgangspunkt noch
immer von der souveränen Freiheit des staatlichen Gemeinwesens nehme;
zieht er doch selbst dieser Freiheit nur die Schranke, dass die Ausweisung
nicht ohne besondere Gründe, m. a. W. ohne ein. ernsthaftes Interesse des
Aufenthalts-Staates erfolgen dürfe. — Wenn, nach Anm. 22 auf 8.26, HıLry
die Meinung vertreten hat, dass die strafrechtliche Verweisung von Aus-
ländern durch die modernen Niederlassungs-Verträge ausgeschlossen sei, so
scheint die Möglichkeit eines solchen Missverständnisses die Revision jener
vieldeutigen und unklaren Verträge nahezulegen.
Der Verfasser kommt zu dem Ergebnisse, dass die Ausweisung zwar den
Regierungen ein legales Mittel darbietet, um völkerrechtlichen Ansprüchen
wegen des von Fremden in Anspruch genommenen Asyls von vornherein zu
entgehen, niemals aber der Forderung der Gerechtigkeit genügt, wonach der
Schuldige statt einer blossen Unbequemlichkeit in der Wahl seines ausländi-
schen Aufenthaltsortes Strafe erleiden und der Aufenthaltsstaat hierzu helfen