Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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der Verfasser namentlich die Vermögens- und Freiheitsstrafen an, 
letztere als Talion im höheren Sinne für den Missbrauch der dem einzelnen 
Gliede der Staatsgenossenschaft belassenen persönlichen Freiheit. In humaner 
Auffassung verwirft der Verfasser jede Verschärfung der Freiheitsstrafe 
(Ketten, Hungerkost, Prügel, Infamie) und will nur zwei Arten derselben, 
mit und ohne Arbeitszwang. Ihr Mindestmass sei so zu bemessen, dass sie 
sich als ernsten Zwang darstelle, dagegen müsse die lebenslängliche Frei- 
heitsstrafe ebenso den ewig rückfälligen Gewohnheitsverbrecher wie den 
gewaltthätigen Mörder treffen. Als leichteste Art der Freiheitsstrafe werden 
Hausarrest und Friedensbürgschaft empfohlen. — Nach diesen Ausführungen 
handelt der Verfasser über „Strafvollzug und Strafvollzugs- 
systeme“. Unter Schilderung der Gefährdung des Besserungszweckes 
wirft er der gemeinsamen Haft vor, dass sie Verbrecher auf Staatskosten 
ausbilde und vertritt daher principiell die Einzelhaft als dem sittlichen 
Grunde und dem staatlichen Zwecke der Strafe am vollkommensten ent- 
sprechend. Während er das sogenannte Stufensystem, nach welchem 
Strafgrade bis zur vorläufigen Entlassung eintreten, an sich billigt, 
leugnet er bei der jetzigen Handhabung seine Erfolge; er empfiehlt ins- 
besondere die vorläufige Entlassung aus der Strafhaft in dem Sinne, dass 
der Staat für gesicherte Arbeit und Unterkommen in geordneten Verhält- 
nissen zu sorgen habe. — Ohne zu leugnen, dass der Besitz der Colonien 
ein Mittel werden könne, dem Anwachsen des Verbrecherthums zu wehren, 
verwirft der Verfasser die Deportation und die Einrichtung von 
Strafcolonien vom Standpunkte des Strafvollzuges, der Kosten, der Politik 
und der civilisatorischen Aufgabe der Colonien. Besondere Berücksichtigungen 
im Strafvollzug werden für die „Strafunmündigen“, zu welchen der 
Verfasser sowohl die geistesgestörten wie die jugendlichen Verbrecher 
rechnet, verlangt; der Richter müsse anordnen können, dass der freigespro- 
chene Geistesgestörte in eine Verwahranstalt komme; jugendliche Per- 
sonen seien bis zum 14. Jahre, — Ende der Schulpflicht, — ganz straffrei, 
bis 21 Jahre, — Grossjährigkeit, — nur gemindert zu strafen. — Den Schluss 
dieses Theils bildet ein Kapitel über die Verhütung der Verbrechen. 
Die drei folgenden Theile, — über „Gefängnissbau“ (p. 289—311), 
„allgemeine Gefängniskverwaltung“ (p. 313—324), „Einzelver- 
waltung“ (p. 329—602) müssen für jeden mit dem Gefängnisswesen be- 
fassten Beamten hohes sachliches und amtliches Interesse haben; auf eine 
eingehendere Besprechung können wir jedoch unter Berücksichtigung der 
dieser Zeitschrift gestellten Zwecke nicht eingehen. 
Zum Schlusse sei nochmals anerkannt, dass der Verfasser jeden Fort- 
schritt auf dem Gebiete des Getängnisswesens und der Strafvollstreckung 
überhaupt in seiner ethischen Nothwendigkeit darlegt und ihn als das 
Ergebniss eines intellectuell und sittlich bereicherten Volksbewusstseins 
darstellt. Dr. Rudolf Bewer.
	        
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