— 472 —
l. Das bewährt sich selbst an den trefflichen Auseinander-
setzungen des Verf. über das Verhältniss von Recht und
Staat (cap. 8). Dem vollkommen richtigen Satze: „Der Staat
ist undenkbar ohne das Recht“, parallelisirt er den anderen Satz:
„Das Recht ist nicht ohne den Staat.“ Allein dieser letzte Natz
ist, verstanden im gemeingültigen Sprachgebrauche, durchaus un-
richtig. Der Verf. kann ihn nur gewinnen, indem er in der Ur-
gesellschaft, in der Familie bereits eine Entwicklungsform
des Staates sieht. Aber die Familie ist nicht Staat oder sie
ist es doch nur, wenn man den Begriff Staat in den allgemeinen
Begriff Gesellschaft oder Verband auflöst. Der Staat ist viel-
mehr eine aus der allgemeinen Erscheinung der Gesellschaft oder
der gesellschaftlichen Verbände sich differenzirende, spezi-
fische Erscheinung, die erst durch das Hinzutreten besonderer
Bedingungen real, durch die Hervorhebung besonderer Merkmale
begrifflich gebildet wird. Und genau so wie bei der Familie
und mit dem nämlichen Fehler, durch Eliminirung der differen-
zirenden Bedingungen und Merkmale die besonderen Erscheinungen
und Begriffe in’s Allgemeinen verschwimmen zu lassen, betrachtet
der Verf. die Anfänge internationaler Organisationen als weiter
entwickelte Formen nicht der allgemeinern Idee der Gesellschaft
oder der gesellschaftlichen Verbände, sondern der Staatsidee.
2. In derselben Gedankenfolge löst PrEeuss zum Schaden
wissenschaftlicher Präzisirung den Begriff der Selbstverwaltung
auf (cap. 8 pag. 218ff.).. Mit vollem Rechte hebt er hervor, wie
an allen „Gesammtpersonen“, an allen zur Einheit des Wollens und
Handelns organisirten Vielheiten die drei Grundfunktionen, die
man am Staate als „Gesetagebung“, „Verwaltung“ und „Rechts-
sprechung“ zu unterscheiden pflegt, sich der Anlage nach
wiederfinden, wenn auch der Ausbildung nach in versehieden-
artiger Steigerung, Abschwächung, Mischung. Gilt dies doch
selbst von den komplizirter gestalteten Sozietäten des Individual-
rechtes. Der Verf. betont es mit nicht minderem Rechte, dass