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Wer in dieser Weise befiehlt, wessen Wille die auf diesem Boden
geltende Rechtsordnung dictirt, das ist der Kaiser von Oester-
reich. Mag der Inhalt seiner Befehle auf diesem oder jenem
Wege zu Stande gekommen sein, mag er in der freien Ent-
schliessung des Befehlenden, in seinem Urtheil und Gewissen wur-
zeln, oder auf der Determination, welche die Volksvertretungen
beider Staaten der Monarchie auf den Herrscherwillen üben;
mag eine Rechtsordnung dies- und jenseits der Leitha vorhanden
sein, welche für den materiellen Inhalt des Herrscherbefehles
entscheidend ist — wer befiehlt, wessen Anordnungen auf dem
Boden Bosniens und der Herzegowina die suprema, die unwider-
stehliche potestas haben, das ist der Kaiser von Oesterreich, der
sich des gemeinsamen österreichisch-ungarischen Ministeriums als
seiner (rehilfen bedient. Ebenso gleichgiltig für die begriffliche
Erfassung des objectiven Thatbestandes ist es aber auch, woher
der Kaiser von Oesterreich diese Macht nimmt, welche seinen
Befehlen die Unwiderstehlichkeit verleiht. Ob die Mehrheit der
Bewohner Bosniens kraft ihrer Ueberzeugung von der Nothwendig-
keit und Berechtigung seiner Herrschaft ihm die Macht zur
Durchsetzung "seiner Befehle gegenüber dem einzelnen Wider-
strebenden zur Verfügung stellt, oder ob es die physische Ueber-
macht der Völker Oesterreich-Ungarns ist, welche die Bewohner
Bosniens und der Herzegowina zwingt, den Befehlen des Kaiser,
von Oesterreich; auf deren Inhalt jene Einfluss genommen haben
zu gehorchen — jedenfalls ist es der Kaiser, der mit Unwider-
stehlichkeit auch in Bosnien befiehlt,‘ der in Wahrheit die suprema
potestas auf bosnischem ‘Boden "besitzt. Die Souveränität
über 'diese Länder hat also der Kaiser von Oesterreich.
So logisch sich diese Folgerung aus der Beantwortung der
oben gestellten Frage ärgibt, so steht sie doch im entschiedensten
Widerspruch zu der von den Quellenjuristen ausgebildeten herr-
schenden Lehre, welche auf den Wortlaut der Convention vom
21. April 1879 pochend die Souveränität über Bosnien und die
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