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des Kaisers von Oesterreich anvertraute“, so geschah es eben
deshalb, weil seine Macht nicht mehr die herrschende, nicht mehr
die zwingende, nicht mehr die suprema potestas in diesen Län-
dern war. Die Macht des Kaisers von Oesterreich ist aber der-
malen die suprema potestas in Bosnien und der Herzegowina,
der Kaiser von Oesterreich besitzt also daselbst die Souveränität.
Dieser Thatbestand, dass die die Rechtsordnung normirende
Macht die Fähigkeit des allgemein verbindlichen Befehlens, die
unwiderstehliche Macht besitzt, kann von der Rechtsordnung nicht
constituirt und nicht umgestossen werden. Die Rechtsordnung
kann diesen Thatbestand Souveränität oder anders benennen, er
bleibt ein und derselbe. Sie kann nicht verfügen, dass eine
souveräne Macht da sei, wo keine ist; sie kann aber auch um-
gekehrt durch eine reservatio mentalis oder eine unscheinbare
Namengebung nicht hindern, dass überall dort, wo ein Herr-
schaftsverhältniss besteht, der Inhaber cer Herrschaft die Sou-
veränität inne hat. Selbst wenn also Oesterreich-Ungarn die
Absicht gehabt hätte, die Souveränität des Sultans über diese Pro-
vinzen und nicht blos Rechte auf dieselben, und zwar ausdrücklich
anzuerkennen, was sich aus dem Wortlaute der Convention noch
lange nicht ergibt, wenn es diese Absicht expressis verbis aus-
gesprochen hätte: der heute in den occupirten Provinzen vor-
handene Thatbestand ist doch unter allen Umständen der, dass
der Sultan vielleicht Souveränitätsrechte auf diese ?rovinzen, der
Kaiser von Oesterreich aber die Souveränität über diese Provinzen
besitzt. Ist dies aber der Fall, dann kann immerhin die Con-
vention bestimmen, diese Souveränität sei keine Souveränität.
Sie kann an dem vorhandenen Thatbestand so wenig ändern, als
umgekehrt das zum nudum jus gewordene Souveränitätsrecht des
entthronten Herrschers im Stande ist, ihm die Macht des un-
widerstehlichen Befehlens zu gewähren. Fragen wir also, wer die
Souveränität über Bosnien und die Herzegowina hat, so kann
uns kein Gesetz und kein Vertrag allein darüber Aufschluss geben,