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hältniss nach der wissenschaftlich gebräuchlichen Terminologie zu
classificiren, um so zu zeigen, dass die im einzelnen gewiss vorhan-
dene Singularität des Verhältnisses Bosniens und der Herzegowina
einer wissenschaftlichen Bestimmung durchaus nicht im Wege steht.
Wır wollen wiederum empirisch vorgehen. Wir haben also eine
Verbindung zweier Staaten vor uns, welche gemeinsam ein Terri-
torıum besitzen und beherrschen. Es ist nicht Bestandtheil des
einen und nicht des anderen Staates der Monarchie, es ist ein
Gebiet, auf dessen Beherrschung beide Staaten Einfluss nehmen.
Der Kaiser von Oesterreich, der Beherrscher beider Staaten, übt
die Herrschaft in Gemässheit der in beiden Staaten verfassungs-
mässig zu Stande gekommenen Determination, die für die gemein-
samen Angelegenheiten beider Staaten bestellte gemeinsame Re-
gierung ist sein Gehilfe, die Regierung beider Staaten nehmen
Einfluss auf die Regierung Bosniens. Nach der Terminologie der
herrschenden Lehre ausgedrückt: der Staatswille der beiden Staaten
der Monarchie ist massgebend für die Regierung der occupirten
Provinzen. Die Bewohner der letzteren sind lediglich Objecte
der Herrschaft, sie werden beherrscht, nehmen aber auf die
Uebung der Herrschaft und die Determination des Herrscher-
willens keinen Einfluss. Die Zwecke, welche bei der Beherrschung
Bosniens und der Herzegowina verfolgt werden, sind nur die Inter-
essen der österreichisch-ungarischen Monarchie, die Interessen der
Bewohner der occupirten Provinzen werden nur aus Billigkeits-
und Zweckmässigkeitsrücksichten und nur so weit beachtet, als
es das Staatsinteresse der österreichisch-ungarischen Monarchie
gestattet, und als die den „Staatswillen“ der beiden Staaten der
Monarchie bildenden Factoren es für gut finden. Die für die
gemeinsamen Angelegenheiten bestellte Regierung bestimmt die
Grundsätze über die Gebahrung mit den Einkünften des Landes
und die von ihr bestellte Landesregierung stellt das Budget fest *').
41) 8 13, 14 der a. h. Entschliessung vom 29. October 1878 über den
Wirkungskreis des Chefs der Landesregierung.