Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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Ein praktisches Bedenken gegen diese Ausdehnung des Ver- 
sicherungsbegriffes will ich nicht unterdrücken. Der Rechtsbegriff 
der Versicherung erhält dann einen ungeahnten Umfang. Wenn 
jedes Risiko, das jemand nach gesetzlicher Verpflichtung für andere 
trägt, Versicherung im Privatrechtssinne ist, dann lässt sich un- 
schwer jeder Zwangsverband, in welchem die Gesammtheit und 
die Angehörigen unter Anderem Zwecks Abwendung wirth- 
schaftlicher Uebel zu gegenseitigen, wenn auch nur eventuellen 
Vermögensleistungen verbunden sind, als Versicherungsgenossen- 
schaft auf Gegenseitigkeit erklären. Von diesem Gesichtspunkte 
aus wären z. B. — die übrigen Elemente des Versicherungsbegriffes 
vorausgesetzt — Staat und Gemeinde nichts anderes als Ver- 
sicherungsverbände. Der Staat trägt das Risiko, dass Rechts- 
schutz im Inneren und nach Aussen für seine Angehörigen vor- 
handen sei, die Steuer ist die Versicherungsprämie. Die Nicht- 
beleuchtung der Strassen in den Städten ist eine Gefahr für die 
Sicherheit von Person und Eigenthum der Einwohner, die Ge- 
meindeumlage das Entgelt für Tragung dieser Gefahr durch die 
Gemeinde ??). 
Immerhin, nach dem oben Ausgeführten kann die feindliche 
Schlachtreihe mit dem Einwurfe, dass das bisherige Recht eine 
andere Begründung der Versicherung als durch Vertrag nicht 
kenne?®), nicht zum Wanken gebracht, höchstens erschüttert 
werden. 
von Leistung und Gegenleistung sei nichts dem Versicherungsrecht, sondern 
etwas dem Vertragsrecht Eigenthümliches. 
”) In dieser Weise liessen sich auch die Aeusserungen unserer beiden 
Reichskanzler, die Armeen seien eine Versicherungsprämie, welche die Na- 
tionen für Aufrechthaltung des Friedens zahlen (so Fürst v. Bismarck bei 
einern seiner Empfänge im Mai d. J.), oder das Halten stehender Heere im 
Frieden habe für die Staaten ungefähr die Wirkung einer Versicherung gegen 
Feuer (so v. Caprivi in einer Rede im Reichstage im Mai d. J.), rechtlich 
erklären, obwohl sie gewiss nicht einem rechtlichen, sondern einem wirth- 
schaftlichen Gedanken Ausdruck geben wollten. 
28) So PröBst a. a. O. S. 324. 
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