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von einer Beitragsleistung zu konstruiren und die Entrichtung
von Beiträgen kann, wo sie stattfindet, rechtlich nicht mehr als
Entgelt für Tragung des Risikos angesehen werden.
Zu diesem Behufe heisst es, auf den Zweck der Arbeiter-
versicherung zurückgehen. Der Zweck ist es, der das Recht ge-
staltet; das hat erst neuerdings wieder GIERKE in seinem Vor-
trag über „die soziale Aufgabe des Privatrechts“ ®*) schlagend
dargelegt. Der den Arbeiterversicherungsgesetzen zu Grunde
liegende Gedanke°®) ist kein privatwirthschaftlicher,
sondern einsozialpolitischer. Die Leistungen der Kranken-
kassen u. s. w. sind in erster Linie nicht Leistungen zur Verwirk-
lichung des Privatinteresses, welches der Arbeiter daran hat, dass
ein bestimmter Vermögensnachtheil für ihn nicht eintrete — dies
ist nur ihr Nebenzweck —, sondern diese Leistungen haben den Cha-
rakter einer staatlichen Fürsorge, welche dem Einzelnen
nicht als Privatperson, sondern als Glied drGesammtheit
zur Heilung gesellschaftlicher Schäden, welche der Staatsgesammt-
heit gefährlich zu werden drohen, also im öffentlichen In-
teresse zu theil werden. Der soziale Schaden und damit die
soziale Gefahr der Gegenwart kam zu besonderem Ausdruck in
der Lage der handarbeitenden Bevölkerung, die dem Gesetzgeber
in einem die Gesellschaftsordnung ernstlich gefährdenden Grade
vom Unternehmer wirthschaftlich abhängig erschien. Was den
Arbeiter abhängig macht, das ist der Umstand, dass seine wirth-
schaftliche Stellung der Regel nach lediglich auf seiner Arbeits-
kraft beruht. Versagt ihm diese, so versiegt ihm zugleich vor-
übergehend oder für immer die Quelle seines wirthschaftlichen
Unterhalts. Das Privatrecht, seinem Wesen nach gebunden an
das Prinzip der Gleichheit der Person, wie es zum Ausdruck
s#) Vgl. gleich S. 1.
55) Vgl. hiezu die prägnante Darstellung von Rosın, Recht der Arbeiter-
versicherung Bd. I $ 24 S. 139 ff. und Lasann, R.-St.-R. Bd. II S. 243 ff,
und 300.