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gewählt hat, trotzdem er in den Motiven wiederholt erklärte, es
handle sich nicht um ein privatrechtliches Verhältniss, sondern
um eine Öffentlichrechtlich geregelte Fürsorge, so hat dies nichts
Auffallendes an sich, sobald man bedenkt, dass die Arbeiter-
fürsorge auf dem wirthschaftlichen Prinzip der Versicherung
aufgebaut ist.
Die Versicherung im ökonomischen Sinne des Wortes schien
dem Gesetzgeber als das zur Zeit allein mögliche Mittel zur Er-
reichung des anzustrebenden sozialpolitischen Zieles.
Versicherung im wirthschaftlichen Sinne ist die Vertheilung
eines wirthschaftlichen Risiko’s auf die Gesammtheit der diesem
Risiko ausgesetzten Personen. Der einzelne Arbeiter und Arbeit-
geber vermag allein die Fürsorgelast nicht zu tragen. Krankheit,
Unfall, Alter, Invalidität ist wohl bei allen Arbeitern möglich,
aber erfahrungsgemäss nicht wahrscheinlich. Es kann daher, ohne
den Einzelnen zu sehr zu belasten, die Tragung dieser Vermögens-
gefahren einem grösseren Kreise von Betheiligten wenigstens theil-
weise auferlegt werden. Dem Einzelnen wird hiedurch die Gefahr,
durch Krankheit u. s. w. Erwerbseinbusse zu erleiden, abgenom-
men. Er wird durch die Verpflichtung der Gesammtheit zum
Ersatz des Schadens „sichergestellt“, im wirthschaftlichen
Sinne versichert ®%).
Aus dem Umstande, dass bei der reichsrechtlichen Arbeiter-
versorgung, wie bei der Versicherung im Rechtssinne, der öko-
66) Vgl. hieher Lasann II S. 245; Rosm, das Recht der öffentlichen
Genossenschaft S. 59; Lewis a. a. O. S. 347; auch v. WOEDTEE in seinen ver-
dienstvollen Artikeln über das Arbeiterversicherungswesen in v. Stengel’s
Wörterbuch Bd. I 681 fi. und 844 ff., Bd. II S. 636 ff. Ich glaube, die
diesbezüglichen Ausführungen WOoeDpTkE’s dürfen nicht dahin aufgefasst werden,
als nehme er an, Ässekuranz im Rechtssinne des Wortes sei bei der Arbeiter-
versicherung gegeben. Er spricht auch von „staatlicher Fürsorge“ und
„staatsrechlicher“ Bedeutung der L-A.-V. (Bd. I S. 681). Anderer Ansicht
Lasann Bd. II S. 800 No. 2. — In meiner Anschauung bestärkt mich
auch v. WOEDTKE's interessanter Aufsatz in Schmoller’s Jahrbuch Bd. XIV
8. 887 ff.