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Es war dies die blosse erste Reaction des neu erwachenden Volks-
geistes gegen die etwas restaurirten Aristokraten von 1815.
Solche Volksbewegungen pflegen dann in der Eidgenossenschaft sich
wie ein Lauffeuer durch eine Anzahl von Kantonen zu verbreiten. So geschah
dies mit dem Veto, in welchem sich damals der Gedanke einer demo-
kratischen Opposition gegen die absolute Repräsentativ-Verfassung verkörperte?),
während (wie sich der Verfasser dieses selbst sehr wohl erinnert) das grau-
bündnerische Referendum noch bis zu Anfang der 60er Jahre als etwas
ganz Veraltetes und Unbrauchbares von den Staaismännern der Dreissiger-
Periode betrachtet wurde, bis es dann plötzlich von 1869 ab durch den
Uebergang der grossen Kantone Zürich und Bern zu diesem System ebenso
in Mode kam, wie dieser früher abgelegene Kanton überhaupt).
Die positiv vorhandenen Referendums- und Initiativ-Einrichtungen be-
handelt der Verfasser der Dissertation von Seite 42 ab und vergleicht dann
die Initiative mit den ähnlichen Rechten der Petition, des sogenannten
facultativen Referendun’s und des Veto (pag. 63 und folgende) wobei wir
uns unsererseits nicht ganz überzeugen lassen können, dass die Initiative
etwas wesentlich Anderes sei, als eine, allerdings nicht Jedermann zustehende,
Petition, mit obligatorisch näher festgesetzten Folgen. Denn es wird doch
theoretisch nicht genügen, zu sagen, sie sei eine Ergänzung des Referendum’s.
Die folgenden Seiten 80 bis 112 behandeln einzelne Ausführungsfragen,
woran sich mit pag. 114 eine Darstellung über die Gesetze und den Unter-
schied zwischen Gesetz und Beschluss anschliesst, sowie die Frage, ob Staats-
verträge dem Referendum unterliegen, eine Sache, die im alten Recht un-
bezweifelt war. Das bernische Referendum z. B. hatte gerade Staatsverträge
vorzugsweise im Auge und in den Jahren 1513 und 1531, als dieses Recht
gesetzgeberisch festgestellt werden sollte, verlangte auch das Volk positiv
gerade über solche Verträge abstimmen zu dürfen, in welchen Hülfeleistung
gegenüber Staaten des Auslandes bedungen sei, die also dem Lande Lasten
auflegen könnten. Die jetzigen kantonalen Referendumsgesetze enthalten
ebenfalls zum Theil ausdrücklich die Bestimmung, dass Staatsverträge der
®) Noch im Jahre 1868 schrieb der Verfasser dieses eine Entgegnung
„Theorctiker und Idealisten der Deinokratie* gegen die auf pag. 52 an-
geführte Broschüre des Herrn Bundesrath Duss, in welcher er am Schlusse,
als etwas ganz Ungewölnliches, sagen konnte, das perhorreszirte Graubündner-
Referendum werde wohl der Stein sei, den die Bauleute verwerfen, der aber
dennoch zum Eckstein werde.
*) Man muss sich dabei vorstellen, dass vor 1829 kein Grossraths-
protokoll in der Schweiz veröffentlicht werden durfte und dass noch in den
Zwanziger-Jahren dieses Jahrhunderts ein Staatsmann eines neuen und so-
genannt liberalen Kantons (Aargau) erklärte, er sehe bei Wahlen wesentlich
darauf, ob ein Mann gepudert sei, oder nicht.