Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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das an positiv-rechtlichen Vorschriften mitunter dürftige öffentliche Recht 
durch Erwägungen der Gesetzungspolitik zu ergänzen und weiterzubilden 
suchte. 
Hiergegen hat zuerst LABANnD in seinem bekannten Staatsrecht mit aller 
Schärfe und Energie Front gemacht, indem er mit Recht Erwägungen über 
die beste Gestaltung des Staatsrechts und nationalökonomische Betrachtungen, 
wie sie sich vielfach in früheren Darstellungen des Staatsrechts fanden, aus 
seinem Lehrbuch des positiven deutschen Reichsstaatsrechts verbannte. Aber 
wie es leicht und vielfach zu geschehen pflegt, dass ein an sich richtiger Ge- 
danke bei seinem ersten Auftauchen zu einseitig verfolgt und auf die Spitze 
getrieben wird, so auch hier; der an sich richtige Gedanke, dass eine dog- 
matische Darstellung des Rechts das positive Recht eines bestimmten Staates 
zu Grunde zu legen habe, wurde irrigerweise dahin erweitert, dass diese 
Dogmatik lediglich mit den Mitteln der Dialektik und Logik aus dem 
jeweilig geltenden (positiven) Recht zu entwickeln sei, unbekümmert um die 
Erforschung des geschichtlichen Werdeprozesses und um sonstige Hilfs- 
mittel, welche den wahren Rechtsinhalt aufzudecken geeignet sind. — 
Diese Einseitigkeit — gegenüber den früheren Darstellungen eines 
BLuNTschLi u. A. ein unleugbarer Fortschritt — ist gleichzeitig die Schwäche 
der LaBanp’schen Methode. 
Das Recht ist nicht, wie die Mathematik, eine Wissenschaft, die von 
bestimmten unbeweisbaren, als wahr geltenden Axiomen ausgehend, auf 
Grund eben dieser Axiome alle weiteren Sätze lediglich durch logische 
Denkoperationen entwickeln kann. — Als ein Geschichtlich-Gewordenes und 
in beständigem Flusse Befindliches kann auch das jeweilig geltende Recht 
nur aus seiner geschichtlichen Entwicklung, aus seinen Zwecken und Zielen 
verstanden und klargelegt werden. Diesen Satz näher zu begründen, muss 
ich mir hier versagen und will nur noch darauf aufmerksam machen, dass es 
mir unverständlich ist, wie Jemand, der, wie der Verfasser in dem Vorwort, 
den m. E. durchaus richtigen Satz aufstellt: „Das Recht, als der Ausdruck 
der jeweiligen sozialen und wirthschaftlichen Verhältnisse ist unverständ- 
lich (sic!) ohne Kenntniss der Faktoren, welche seine Bildung bewirkt 
haben —“* einige Zeilen später sagen kann: „Steckt sich aber Jemand das 
bescheidenere Ziel, für Zwecke des Rechtsstudiums und der Rechtsanwendung 
das positive Recht unseres Staates zur Darstellung zu bringen, so kommen 
die als bekannt vorauszusetzenden sozialen und wirthschaftlichen Faktoren, 
deren Produkt dieses Recht ist, nicht weiter in Betracht, und für die 
„wissenschaftliche“ Behandlung bleibt nur die rein logische Schluss- 
folgerung aus dem vorhandenen Rechtsstoffe, wie in einem richterlichen 
Urtheile.* — 
Wenn das Recht ohne Kenntniss der Faktoren, deren Produkt es ist, 
unverständlich ist, so müssen diese Faktoren doch auch bei der Dar- 
stellung für Zwecke des Rechtsstudiums und der Rechtsanwendung in „Be-
	        
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