Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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bezeichnet, mit weitgehender diskretionärer Befugniss, bei der Urtheilsverkün- 
dung zugleich die Verbüssungsanstalt. Besonders ausgebildet erscheint die 
Beschäftigung der Gefangenen, sodann aber auch ihre Erziehung zum 
Besseren, zunächst durch Trennung der Gewohnheits- und der Gelegenheits- 
verbrecher, ferner durch Unterricht und endlich durch den Sporn der Aussicht 
auf Strafkürzung bei Wohlverhalten (ein Auswuchs dieses Bestrebens ist die 
Einrichtung von Clubs und Vergnügungsabenden solcher Gefangenen, welche 
sich durch gewisse Besserungsklassen hinaufgearbeitet haben). Ein Gegen- 
stück zu der gedachten arbiträren Strafkürzung findet sich bei den s. g. 
Reformatories — Anstalten für besserungsfähige Neulinge jüngeren Alters — 
in der Befugniss des Vorstandes, Gefangene bis zu eingetretener Bes- 
serung, also in infinitum bis zur Maximalgrenze der vom Gesetze für die 
That angedrohten Strafe, festzuhalten. Bei jugendlichen Verbrechern gieht 
es von vornherein Urtheile, welche den schuldig Befundenen zunächst on 
probation, unter eine Art öffentlich- vormundschaftlicher Beaufsichtigung, 
stellen: nur wenn die Probezeit nicht gut bestanden wird, folgt nunmehr ein 
eigentliches Strafurtheil. Dr. v. Marck. 
Werner Rosenberg, Amtsrichter in Sennheim: die staatsrechtliche 
Stellung des Reichskanzlers. (Strassburger Verlagsanstalt 1889.) 
Nach einem Ueberblick über die Entstehungsgeschichte der einschlägigen 
Artikel 15 und 17 der Reichsverfassung führt der Verfasser aus: Der Reichs- 
kanzler hat eine Doppelstellung, er ist zugleich Vertreter Preussens im 
Bundesrath und Minister des Reichs. In ersterer Eigenschaft ist er 
preussischer Staatsbeamter und hat hier im Bundesrathe, entsprechend den 
doppelten Rechten Preussens als Bundesstaat und als Präsidialmacht, wiederum 
eine Doppelstellung: als Mitglied und als Vorsitzender des Bundesrathes. 
Ausserhalb des Bundesrathes ist er Gehülfe und Vertreter des Kaisers; 
als Gehülfe hat er dessen Regierungsakte gegenzuzeichnen, ausgenommen 
die vom Kaiser als Oberbefehlshaber erlassenen „Befehle“ (8. 13f.); als 
Vertreter führt er alle Reichsgeschäfte, die nicht gesetzlich dem Kaiser 
persönlich vorbehalten sind (8. 15), ist — mit gewissen Einschränkungen — 
höchste Verwaltungsinstanz und höchste Aufsichtsbehörde; als solche ist er 
aber gegenüber den Partikular-Behörden „nicht vorgesetzte Dienst-, sondern 
coordinirte Controlbehörde* (8.17). Die Verantwortlichkeit des Reichs- 
kanzlers (Kap. III) ist einmal die allgemeine jedes Reichs- und jedes 
Preussischen Staats-Beamten, sodann aber noch eine besondereals Reichs- 
ministers, dem Reichstage gegenüber (die „constitutionelle* Verantwortlich- 
keit [S. 22], einschliesslich des „Rechtes der Interpellation“ [S. 28]), nicht 
aber dem Bundesrath gegenüber (S. 31ff.). Die Stellvertretung des 
Reichskanzlers (Kap. IV) ist verschieden geordnet, je nachdem er als 
Bundesraths-Mitglied ($ 2 revid. Geschäfts-Ord.), als Vorsitzender (Art. 15 
d. Reichs-Verfass.), als Reichsminister (Ges. v. 17. März 1878) in Frage
	        
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