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höhere Aufgabe überkommen, zugleich die Fragen der Gesetzlichkeit und Zu-
lässigkeit, der Nothwendigkeit und Zweckmässigkeit der die Finanzgebahrung
berührenden Verwaltungshandlungen durch Prüfung aller Rechnungen über
staatliche Einnahmen und Ausgaben zu erörtern, die Finanzperioden sind
seit 1868 zweijährige geworden. Auf der anderen Seite hat der Eintritt
Sachsens in den ’norddeutschen Bund bezw. mit diesem in das deutsche Reich
seit CZÖRNIG s Studie einen Faktor in die sächsische Finanzwirthschaft ein-
geführt, welcher sich der Einflussnahme der sächsischen Stände gänzlich
entzieht.
Der hiernach gegenwärtig bestehende Zustand des sächsischen Etat-
rechts findet in der Löße’schen Schrift eine vorzügliche, objektive Dar-
stellung. Der Verfasser, welchem wir bereits eine Reihe anderer finanzrecht-
licher Schriften und Abhandlungen verdanken, steht in Folge seiner amtlichen
Stellung in engster Fühlung mit dem Etatwesen des Landes und hat aus den
zuverlässigsten Quellen geschöpft. Gewünscht hätten wir freilich, dass die
Literatur des sächsischen Staatsrechts nicht ganz mit Stillschweigen über-
gangen worden wäre; denn auch das sächsische Etatrecht hat natürlich seine
Kontroversen und es würde von besonderem Werthe gewesen sein, wenn
grade LöBE seine Stellung zu den von Anderen ausgesprochenen Ansichten
gekennzeichnet hätte.
Das Buch zerfällt in zwei Theile, indem cs den sächsischen Staatshaus-
halt zunächst in seinen verfassungsrechtlichen Beziehungen und sodaun (von
S. 115 ab) unter Beigabe einer graphischen Uebersicht in seinen bemerkens-
werthesten finanziellen Leistungen behandelte Für das Archiv interessirt
vorwiegend der erste Theil.
Das Bewilligungsrecht der jetzigen sächsischen Landesvertretung ist
keine völlig neue Schöpfung des modernen Konstitutionalismus, sondern
schliesst sich an die Zustände der älteren landständischen Zeit an. LöBE
nimmt deshalb im ersten Abschnitte („der Staatshaushalt und das Bewilligungs-
recht der Landesvertretung“) S. 7 an, dass zwar das Ausgabebewilligungsrecht
der jetzigen Stände sich gegen früher wesentlich erweitert habe, indem die-
selben im Allgemeinen befugt sind, alle Ansätze für Ausgaben nach Art und
Höhe auf ihre Nothwendigkeit und Zweckmässigkeit zu prüfen, dass dagegen
das Einnahmebewilligungsrecht ein beschränktes geblieben sei, indem alle
nicht aus direkten oder indirekten Landesabgaben sich ableitenden staatlichen
Einnahmen von einer vorgängigen ständischen Bewilligung nicht abhängen.
Bedenkt man nun aber, dass der Staatshaushalt ein Ganzes bildet, dessen
Einnahmen und Ausgaben balanziren sollen (s. auch 8. 19), dass fast jeder-
Etatabschnitt, sowohl Einnahmen als Ausgaben aufweist, dass auch Einnahme-
quellen vorübergehend versiechen und durch Zuschüsse gespeist werden
müssen, dass die Zweckmässigkeit der Einstellung gewisser (z. B. der Eisen-
bahn-) Einnahmen in bestimmter Höhe eine sehr verschiedenartige Beurtheilung
erfahren kann, und dass endlich die Heranziehung von Substanztheilen des