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halb nicht erfolgt, weil die Stände eine Verminderung verlangter Summen
beantragen, welche die Regierung mit dem Staatswohle nicht vereinbar er-
achtet, oder weil der Landtag aufgelöst worden ist, so kann der König die
Auflagen für den nothwendigen Staatsbedarf noch auf ein Jahr erheben
lassen; weiter dürfen, wenn die Budgetberathung trotz rechtzeitiger Vor-
legung des Entwurfs von den Ständen verspätet oder verzögert wird, die
bestehenden Steuern noch auf ein Jahr in der bisherigen Weise forterhoben
werden. Nach LösE unterscheiden sich diese Fälle von den ersterwähnten
dadurch, dass bei den ersterwähnten der König im Falle des Bedürfnisses
auch neue Abgaben auflegen oder die Sätze der bereits bestehenden Abgaben
erhöhen kann, bei den letzterwähnten aber nicht, und dass bei den erst-
erwähnten die für das Staatswohl erforderlichen Ausgaben nach dem Ermessen
der Krone ohne Rücksicht auf die Vorperiode gemacht werden dürfen,
während bei den letzterwähnten der vorausgegangene Ausgabe - Etat als
Normalbudget fortwirkt (S. 40 f.). Diese Ansicht, welche auch OPpıtz, Sächs.
Staatsrecht II. S. 124 £f. theilt, ist jedoch nach der Meinung des Referenten
im ersten Punkte deswegen kaum zutreffend, weil auch für die Steuer-
ausschreibung in den ersterwähnten Fällen $ 5 des Ges. vom 5. Mai 1851 an
die Steuerverfassung der Vorperiode offensichtlich anknüpft („verlängertes“
Ausschreiben; Auflagen, „insofern sie nicht ausdrücklich nur für einen vor-
übergehenden, bereits erreichten Zweck bestimmt sind“).
Eine Verkündung des verabschiedeten Etats fordert die sächsische
Verfassung nicht (S. 44). Mit dem Entwurfe des Etats wird den Ständen
aber zugleich der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, welches nach erfolgter
Verabschiedung des Etats die verwilligten Landesabgaben den Pflichtigen
gegenüber auszuschreiben hat (S. 45); dieses (sog. Finanz-) Gesetz pflegt
neuerdings, aber lediglich als Motiv der Steuererhebung, die Summen an-
zugeben, auf welche der Etat in Ueberschüssen und Zuschüssen festgestellt
ist. Den in der Besprechung der rechtlichen Wirkungen des Etats S. 55
enthaltenen Satz, dass, wenn die Mindest- und Höchstbeträge von Gehältern
einer Beamtenklasse, welche nur mit dem Höchst-, Mindest- und Durchschnitts-
betrage etatisirt sind, ausnahmsweise nicht gewährt werden, die dadurch er-
sparten Beträge zur Erhöhung der Besoldungssätze der übrigen Stelleninhaber
nicht verwendet werden dürften, erachtet Ref. nicht für begründet. Sehr richtig
wird dagegen S. 58 folgender wichtiger Satz des Etatrechts formulirt: „Eben-
sowenig, wie die Regierung verpflichtet ist, der Erhebung oder Leistung von
Einnahmen und Ausgaben nur deshalb sich zu unterziehen, weil und soweit sie
im Etat vorgesehen sind, ist sie gezwungen, die Erhebung oder Leistung von
Einnahmen oder Ausgaben nur deshalb zu unterlassen, weil und insoweit das
Gegentheil der Fall ist. Vielmehr ist die Regierung ebenso berechtigt als
verpflichtet, Einnahmen, welche dem Staate auf Grund bestimmter Rechts-
titel zufliessen, ingleichen Ausgaben, welche zur Erreichung der Staats- und
Verwaltungszwecke unbedingt geboten sind, auch insoweit einzuziehen oder