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ist dem Entwurf nur der einzelne Mensch, dessen Persönlichkeit trotz
dem $ 3 im Anschluss an das entartete römische Recht in der Stiftung
und im Privattestament ungebührlich über den Tod hinaus konservirt wird:
die (natürliche) Rechtsfähigkeit und Persönlichkeit des Reichs, des Staats,
der Gemeinde w.rd auf Fiktion zurückgeführt. — Ist auch die Familie (das
„Haus“) ein Rechtssubjekt? Sie ist zweifellos eine sittliche Einheit und als
solche die Grundlage des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens, und mit
Recht wirft G. dem Entwurf Missachtung ihrer Bedeutung vor nach der
Art, wie er die väterliche (oder elterliche) Gewalt ordnet; vollberechtigt ist
der Hohn, den er über den Gedanken ausschüttet, Rechte und Pflichten von
Vater und Mutter — nicht doch: Rechte und Pflichten des „Inhabers der
elterlichen Gewalt“ nach Analogie der Rechte und Pflichten des Altersvor-
munds zu ordnen: die vollendete verkehrte Welt! Die Familie kann auch
Rechtssubjekt sein; sie ist es, wenn sie Inhaberin eines Familienvermögens
(F. = Fideikommiss, Stammgut) ist: ein Rechtsverhältniss, das der Entwurf
ebenso wie das wirthschaftlich und politisch so bedeutungsvolle bäuerliche
Erbfolgerecht (Anerbenrecht) dem Landesrecht zu ordnen oder — aufzuheben
überlässt. — G. tritt für das Recht der freien Körperschaftsbildung ein;
deutsch ist wohl dieses Princip, aber auch gefährlich; dem römischen Indi-
vidualismus stand ein grossartiger Sinn für die Staatseinheit zur Seite; den
Deutschen ist über dem Genossenschaftstrieb, über dem Partikularismus das
Bewusstsein der Staatseinheit zu Zeiten fast abhanden gekommen; darum
wird hier Vorsicht am Platze sein. Dem geltenden Recht wenigstens ent-
spricht es nicht, dass jede Familie sich oder dass das Haupt einer solchen
sie als Person konstituiren kann.
Mit dem Recht der Familie hängt enge zusammen das Recht der Ehe-
frau, insbesondere ihre vermögensrechtliche Stellung, das eheliche Güterrecht
— auch eine sociale Frage. Dem vom Entwurf vorgeschlagenen gesetzlichen
Güterrecht (an dessen Stelle er lieber das Regionalsystem im Anschluss
an die bestehenden Güterrechte treten sähe) macht G. mit Biur den
begründeten Vorwurf, dass es ein System des Mannesegoismus darstelle; er
bedauert, dass der Entwurf das deutschrechtliche Mundium des Ehe-
manns beseitigt; allein dieses wurzelte doch nicht sowohl in der geistigen
als in der physischen Ueberlegenheit des Mannes, dem heutigen Kulturzustand
entspräche die gesetzliche Unterwerfung der Frau unter eine Art Vormund-
schaft des Mannes schwerlich; dem natürlichen Uebergewicht des Mannes
bei Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens könnte das Gesetz auch
ohne das antiquarische Mundium gerecht werden; mit der Vertragsfreiheit
der Ehegatten ist dieses wohl so wenig vereinbar, wie das gesetzliche Ver-
waltungsrecht, das der Entwurf dem Ehemann einräumt, mit der der Ehefrau
zugestandenen vollen Handlungs- (oder wie der Entwurf so elegant sagt:)
Geschäftsfähigkeit.
Den Ausschluss des erbrechtlichen Niesbrauchs des überlebenden Ehe-
Archiv für Öffentliches Recht. V. 4. 40