Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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sollendes und regelmässig auch geltendes Recht. Zum letzteren wäre nicht 
nur das richterlich augewendete, sondern auch das von den Administrativ« 
behörden, den Beamten, ja das von den Personen überhaupt befolgte Recht 
zu rechnen. Die Geltung im eigentlichen Sinne besteht in der thatsächlichen 
Anwendnng des Rechtes, sie ist Ereigniss, das sich wiederholt oder nicht. 
Es kann auch Recht, welches nicht gelten soll, in mehreren oder vereinzelten 
Fällen zur Geltung gelangen. Das Gewohnheitsrecht ist immer solches, 
welches Geltung aufweist, aber es ist nicht von seiner Entstehung an und 
überhaupt nicht immer Recht, welches gelten soll. Darin muss dem Ver- 
fasser völlig zugestimmt werden, dass die Gewohnheit nicht erst Recht ent- 
stehen lässt; die Ausführungen des Verfassers in dieser Richtung sind völlig 
überzeugend. Das in der Gewohnheit zu Tage tretende Recht führt sogar 
seine Entstehung vor denjenigen Zeitpunkt zurück, wo es zum ersten Male 
zur Anwendung kam. Die Gewohnheit bildet nach dem Verfasser nur Er- 
kennungszeichen. Sie ist aber mehr als das; ihre Dauer und Allgemeinheit. 
sind zugleich auch Gründe des Geltensollens im Sinne des Gesetzes. Der 
Richter darf das in der Gewohnheit erkennbare Recht nicht deshalb an- 
wenden, weil in ihm der gleiche Wille wie im Gesetze zu Tage tritt, son- 
dern weil er vernünftiger Weise annehmen kann, dass der Gesetzgeber, falls 
er sich mit der Frage zu beschäftigen hätte, angesichts der eingelebten, all- 
gemeinen Uebung nicht mehr auf dem Geltensollen des widerstreitenden 
(fesetzesrechtes beharren würde. Diese Annahme kann aber vom Gesetz- 
geber, zum Voraus beschränkt, an bestimmte Voraussetzungen gebunden oder 
auch gänzlich ausgeschlossen werden. 
Wenn auch Referent die Resultate der besprochenen Schrift nicht als 
annehmbare bezeichnen kann (die Anschauung, der Richter sei zur An- 
wendung von sog. ursprünglichem Rechte, selbst bei Vorhandensein eines 
diesbezüglichen Verbotes in der Verfassung befugt, müsste sogar zur Rechts- 
unsicherheit führen), so soll doch der Werth der Einzelausführungen, die 
Anregendes und Ueberzeugendes enthalten, nicht in Abrede gestellt werden. 
Der Verfasser, von Fach Philosoph, beherrscht die Fachwissenschaft des 
Rechtes in genügender Weise, um zur Lösung auch zunächst juristischer 
Fragen als berufen zu erscheinen. A. Affolter. 
Der badische Staatshaushalt in den Jahren 1868-1889 von 
Dr. Eugen von Philippovich, o. ö. Professor an der Universität 
Freiburg. Freiburg i. B. 1889. Akademische Verlagsbuchhandlung 
von J. C.B. Mohr. 8. XII. 263 S. Preis M. 6.—. 
von Philippovich, der schon früher durch die Herausgabe einer 
vorzüglichen, mit sachkundiger Einleitung, werthvollen Anmerkungen und 
Register versehenen Zusammenstellung der Gesetze über die direkten Steuern 
in Rosm’s Handbibliothek Badischer Gesetze sich ein wesentliches Ver- 
dienst um die Praxis des badischen Finanzrechtes erworben hat, hat in dem
	        
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