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1. Das Recht der Arbeiterversicherung. Für Theorie und
Praxis systematisch dargestellt von Dr. Heinrich Rosin, ord. Professor
für Staatsrecht und deutsches Recht a. d. Universität Freiburg i.B. Erster
Band: Die reichsrechtlichen Grundlagen der Arbeiterversicherungen.
Erste Abtheilung. Berlin. Verlag von J. Guttentag (D. Collin) 1890.
2.Das Reichs-Unfallversicherungsrecht, dessen Entstehungs-
geschichte und System, dargestellt von Dr. jur. Robert Piloty, Privat-
dozent an der Universität Würzburg. Erster Band. Würzburg. Ver-
lag von Georg Hertz 1890.
Wie man auch immer über den Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung
im Bereich des Civilrechts urtheilen möge, auf dem Gebiete des öffentlichen
Rechts offenbart sie zweifellos eine fruchtbare, schöpferische Gestaltungs-
kraft. Insbesondere hat auch die socialpolitische Gesetzgebung des letzten
Jahrzehnts eine Reihe neuer Rechtsgedanken und Rechtsgebilde in’s Leben
gerufen, für welche das frühere Recht kaum entfernte Analogien darbietet.
Damit sind auch der Rechtswissenschaft neue Stoffe und neue Aufgaben zu-
geführt worden. Dass sich bisher noch kein Bearbeiter für diese gefunden,
ist wohl in erster Linie dem stückweisen Vorschreiten der Gesetzgebung zu-
zuschreiben. So lange sich dieselbe noch im Flusse befand, wandte sich be-
greiflicher Weise das allgemeine Interesse mehr dem entstehenden Rechte
zu, und eine Fülle de lege ferenda geschriebener Literatur begleitete das
grosse Gesetzgebungswerk durch alle Phasen seiner Entwicklung. Sobald
andererseits ein Stück desselben fertig geworden und in Kraft trat, machte
sich vorzugsweise das Bedürfniss der Praxis geltend, durch Commentare und
Präjudiciensammlungen das Verständniss und die Anwendung des neuen
Rechts erleichtert zu schen. So kam es, dass die wissenschaftliche Behand-
lung bisher nur vereinzelt an wenigen Punkten einsetzte, obne sich je zu
einer vollen Durchdringung und zusammenfassenden Darstellung der ge-
sammten Materie zu erheben. Erst jetzt ist die Versicherungsgesetzgebung,
wenngleich noch nicht nach allen Seiten ausgebaut, so doch zu einem vor-
läufigen Abschluss gediehen. In sieben Reichsgesetzen hat das wiederholt
von höchster Stelle feierlich verkündete sociale Reformprogramm seine Ver-
wirklichung erhalten, die weiterbin durch eine Fülle landesrechtlicher und
sonstiger Satzungen ergänzt und fortgebildet worden sind. Es handelt sich
nun darum, diese disjecta membra als ein einheitliches Ganzes aufzufassen
und in einem geschlossenen Systeme zur Anschauung zu bringen. An diesem
Problem haben sich gleichzeitig, jedoch in verschiedener Weise, die oben
genannten beiden Autoren versucht. PıLorty hat sieh auf eine Bearbeitung
des Unfallversicheıungsrechts beschränkt, worunter er nur das öffentliche,
in den einschlägigen Reichs- und Landesgesetzen enthaltene Recht versteht.
Eine Zusammenfassung mit dem Kranken-, Alters- und Invaliditäts -Ver-
sicherungsrecht erscheint ihm zwar nach der inneren Verwandtschaft der
Stoffe für die Zukunft erwünscht, nach dem gegenwärtigen Rechtsstande