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gedanken als der massgebenden ratio legis ausgegangen, und geprüft, in
welchen Rechtsformen dieser ökonomische Gedanke zur juristischen Aus-
prägung gelangt ist. Das Nämliche gilt von dem zweiten Kapitel. Der für
das ganze Arbeiterversicherungsrecht so wichtige Begriff des „Betriebes“
wird in seinen begrifflichen Merkmalen constituirt und zwar als „Inbegriff
erlaubter wirthschaftlicher Thätigkeiten von verhältnissmässiger Continuität
und Dauer“. Alle für die socialpolitische Beurtheilung eines Betriebes
massgebenden objectiven Momente: Gegenstand, Art, Umfang, Gefährlichkeit,
Betriebsstätte, Betriebszeit, Betriebsanlage, Betriebssitz, Veränderung, Er-
öffoung und Einstellung des Betriebes u.s.w. finden ihre sorgfältige Würdigung,
ebenso die beim Betriebe als Unternehmer, Betriebsleiter oder Arbeiter be-
theiligten Personen, endlich werden je nach dem Verhältniss der Betriebe
zu einander „Gesammtbetriebe*, „Einzelbetriebe“, „gemischte Betriebe“,
Haupt-, Neben- und Hülfsbetriebe unterschieden und charakterisirt.
Wenn schon Rosın’s Darstellung der Rechtsquellen im ersten Buch,
trotz der überwiegend theoretischen und constructiven Natur „des Gegen-
standes, dennoch, wie schon hervorgehoben, auch einer gewissen praktischen
Bedeutsamkeit nicht ermangelt, so sind die Ausführungen des zweiten Buchs
für die Handhabung und Auslegung des Gesetzes von ganz hervorragendem
Werth. Die fliessende Mannichfaltigkeit der wirthschaftlichen Erscheinungen
wird in festen Rechtsbegriffen fixirt, der unbestimmte schwankende Sprach-
gebrauch des täglichen Lebens verdichtet sich zu eincr exakten Terminologie.
An den Problemen, welche theils der productive Scharfsinn des Autors auf-
spürt, theils die Casuistik der Rechtspflege ihm an die Hand gibt, wird die
Haltbarkeit der aufgestellten Definitionen und Rechtssätze sowie ihre Brauch-
barkeit für die Bedürfnisse der Praxis erprobt. Das ganze Werk ruht in
allen seinen Parthien auf der gründlichsten Durchdringung nicht allein des
gesammten umfassenden Gesetzesstoffes mit allen seinen vielverästelten Aus-
läufern, sondern auch der juristischen und volkswirthschaftlichen Literatur
und der bereits mächtig anschwellenden Judikatur der Gerichte und Ver-
waltungsbehörden, und gerade die Art, wie Rosm ein reiches Detail in scine
allgemeine Darstellung hinein zu verweben weiss, gibt der letzteren einen be-
sonderen Vorzug und eigenartig fesselnden Reiz.
Auch Pıvory ist die Anerkennung nicht zu versagen, dass er die von
ihm behandelte Materie vollständig beherrscht und den Ergebnissen wie den
Bedürfnissen der Praxis die gebührende Berücksichtigung zuwendet. Be-
sonders dankenswerth ist in dieser Hinsicht die den zweiten Haupttheil
seines ersten Bandes bildende Untersuchung über die Stellung des Unfall-
versicherungsrechtes zu anderen Rechtsgebieten, als wie zur Kranken-
Versicherung, Alters- und Invaliditäts-Versicherung, zur Fürsorge für ver-
unglückte Beamte und Personen des Soldatenstandes, zur öffentlichen Armen-
pflege und den öffentlichen und privaten Unterstützungskassen, und zum
bürgerlichen Recht, insbesondere zum Haftpflichtrecht und zur Privat-