sedrängt werden. Ebensowenig wie das Herren- oder Abgeord-
netenhaus befugt ist, bei nachträglieh eintretenden Veränderungen,
welche das Nichtzustandekommen des Gesetzes wünschenswerth
machen, das Votum zu revociren, ebensowenig hat dieses Recht
der Monarch. Monarch und Landtag sind die gleichberechtigten
Factoren der preussischen Gesetzgebung. Der ausführlichere
Beweis für das zuletzt Gesagte folgt unten.
Wir kehren zum Art. 5 der Reichsverfassung zurück und
behaupten folgerecht: Da derselbe als gesetzgebende Factoren
lediglich Bundesrath und Reichstag, nicht aber den Kaiser nennt,
so ist zu schliessen, dass die Freiheit der Action auch nur bei
Bundesrath und Reichstag Platz greift.
Dass die Reichsverfassung die Ausfertigung und Verkündigung
nicht zur gesetzgebenden Gewalt rechnet, geht insbesondere daraus
unzweideutig hervor, dass beide Acte unter dem „Reichsgesetz-
gebung“ überschriebenen, mit II. bezeichneten Theil der Verfassung
überhaupt gar nicht erwähnt werden, und zum anderen daraus, dass
sich der Art. 17, in welchem sie erwähnt werden, sonst ausschliess-
lich mit Acten der vollziehenden Reichsgewalt beschäftigt.
Das Resultat der bisherigen Betrachtung ist, dass die Aus-
drucksweise des Art. 5, insonderheit die Wahrnehmung, dass
die in Bezug auf die Reichsgesetzgebung zustehenden Befugnisse
des Bundesraths und Reichstags specifisch als Gesetzgebung, die
des Kaisers aber nicht als solche bezeichnet werden, ein bedeu-
tendes Gewicht für die Auffassung in die Wagschale werfen, dass
der Kaiser des Vetos, nämlich einer selbständigen Betheiligung
an der Reichsgesetzgebung, entbehre.
Mit diesem Resultat kehren wir noch einmal zum Art. 17
zurück. Ist es jetzt verwegen, zu behaupten, dass der Ausdruck
„steht zu“ allerdings, wie HIERSEMENZEL richtig gefühlt hat, mit
„der Kaiser hat das Recht und die Pflicht“ zu übersetzen sei?
Zur Unterstützung dieser Auffassung sollen in diesem Zu-
sammenhange noch drei Punkte erörtert werden.
6*