Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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des Gesetzes nur für constitutionell vereinbarte Staatswillen, den 
"Ausdruck Verfassung nur für eine constitutionelle Verfassung zu 
gebrauchen pflegt — diese Meinung kann doch unmöglich nur auf 
blosser Nachäffung, leeren Aeusserlichkeiten, zufälligen momen- 
tanen Anstössen und gehaltlosen Formen beruhen, sie muss viel- 
mehr ihren Grund in den tiefsten inneren Empfindungen und all- 
gemeinsten Anschauungen der Menschen finden. 
Untersuchen wir, ob ein solcher Grund vorhanden ıst? 
II. Die Menschen, welche das sog. Volk (worunter wir hier einst- 
weilen alle die Einzelnen, welche und soweit sie nicht persönliche 
Träger der Souveränetät sind, verstehen) ausmachen, haben genau 
dieselbe Eigenschaft wie der persönliche Souverän, der Monarch, 
oder wie alle Glieder einer republikanischen Souveränetät als 
solche, nämlich die Neigung absolut zu sein, über Alle und Alles 
womöglich ohne Schranken zu verfügen. Und jeder thut es auch, 
soweit er formell rechtlich es kann und vernachlässigt dabei seine 
auch ohne Gesetz selbstverständliche Pflicht oder sucht selbst um 
die Rechtspflicht nach Möglichkeit herumzukommen. Der Zweck 
dabei ist das rein persönliche Interesse, welches er zum Nachtheile 
der Gesammtheit so oft und so weit verfolgt, als er es ohne 
grösseren Nachtheil thun kann oder thun zu können glaubt. Er 
thut dies wohl auch unter fortwährenden feierlichen Protesten, 
dass sein Interesse Staatsinteresse, was er anstrebt oder vernach- 
lässigt, Pflichtübung, wohl auch dass es nur die Geltendmachung 
unveräusserlicher angeborener Rechte sei. Auch die Besten unter- 
liegen von Zeit zu Zeit der Gefahr dieser Neigung zu fröhnen 
und es gehört das, was wir den politischen Charakter nennen, 
dazu, sie zu überwinden oder, wenn man ihr doch einmal unter- 
legen, wieder in die rechten Bahnen einzulenken. 
Wenn trotzdem jeder, auch der gewöhnlichste Dutzendmensch, 
Vieles oder Weniges für das Ganze thut oder lässt, so geschieht 
dies jeder anderen Einsicht zum Trotz, leider meist selbst wieder 
aus egoistischer Empfindung und zwar entweder aus Furcht vor
	        
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