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nahme durch alle seine Glieder, und für das richtige Verhältniss
zwischen Pflicht und Recht, zwischen Ordnung und Freiheit für
alle Staatsangehörigen ohne Ausnahme. Der Bestand kann ver-
ändert, vernünftigerweise also nur gebessert werden und zwar
wieder nur mit dem freien Willen der Bürgerschaft; die Grenze
zwischen Freiheit und Pflicht kann anders, vernünftigerweise
richtiger gestellt, niemals aber die Bürgerpflicht zu einer indivi-
duellen Berechtigung gefälscht werden, auch dann nicht, wenn
dem Individuum zur Erfüllung seiner Bürgerpflicht die dazu nöthigen
individuellen Rechte gewährt sind.
Bei der Volksvertretung wird es demnach vorzüglich darauf
ankommen,
1. wie sich dieselbe zu dem Träger der obersten Autorität
verhalte oder, ob der Träger dieser Autorität dieselbe als Volks-
mandat oder Kraft seiner gesetzlichen Stellung besitze — was
praktisch darauf hinauskommt, dass rechtlich bestimmt sei, welche
Willensäusserungen des Staatschefs formell und materiell als Ge-
sammtheits- oder Staatswille zu erachten seien. Dann
2. welche und wie grosse Mittel auf die Ausführung des
Staatswillens zu verwenden seien; oder, beide Punkte ın Einen
Satz zusammengefasst, welche Willensäusserungen des Staatschefs
als bloss private nicht die Zustimmung des Volkes haben und also
auch nicht durch die Mittel der Gesammtheit zu unterstützen
seien.
Geschichtlich kann es sich immer nur entweder um einen
erhaltenden Willen gegen eine auf Veränderung abzielende Ten-
denz handeln oder umgekehrt. Es wird aber stets, dıe Perioden
fieberhafter oder verzweifelnder Paroxysmen abgerechnet, sowohl
ein Theil des Bestehenden forterhalten, als auch ein anderer Theil
desselben verändert werden wollen.
Glaubt man nicht an die Nothwendigkeit einer radicalen
Veränderung, die übrigens schon nach den oben erwähnten Vor-
aussetzungen einer Volksvertretung gar nicht möglich ist, so