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Wo aber selbst eine solche Majoritätsbildung fehlt, wo die
concrete Majorität eine zweifelhafte, eine sehr unbedeutende, eine
durch alle möglichen verwerflichen Mittel zu Stande gebrachte ist,
wo ın Volk und Volksvertretung eine grosse Zerfahrenheit herrscht
und unter dem Mantel der politischen Freiheit sich eine Menge
staatssubversiver Tendenzen versteckt, wo Factionen und Frac-
tionen statt der Parteien bestehen, die Thätigkeit der Volksver-
tretung nicht auf ernstlichen Berathungen, sondern auf Club-
beschlüssen beruht, und wo die Majoritätsbeschlüsse durch die
unnatürlichsten Verbindungen der entgegengesetztesten Richtungen
zu Stande kommen — wie liesse sich unter solchen Umständen
eine stetige und einheitliche Führung des Staates ohne Veto des
Staatsoberhauptes denken ?
Es ist bekannt, dass selbst in England die alte feste Partei-
bildung bereits zu erschüttern versucht wird, während gerade sie
und nur sie es erklärt, dass seit dem Jahre 1688 die englische
Krone von dem ihr unbestritten zustehenden Vetorecht keinen
Gebrauch gemacht hat. Nicht minder bekannt aber ist, dass die
eben geschilderten staatsgefährlichen Zustände fast in allen con-
tinentalen Staaten bestehen, dass sie ihren Grund in der ver-
hältnissmässigen Neuheit der constitutionellen Einrichtungen und
in einem Mangel an entsprechender Erziehung, an politischer
Zucht und Erfahrung haben, und dass, wenn sie bisher noch nicht
alle staatsgefährdenden Wirkungen zu entwickeln vermochten,
dies seinen hauptsächlichsten Grund in der noch übrigen, theil-
weise schon bei den Wahlen, dann auch den Gewählten selbst
gegenüber sich manifestirenden Macht der Regierungen findet,
wozu wesentlich auch das absolute Veto gehört.
VII. Bei alledem ist aber noch manches sehr Wichtige zu
erwägen.
Die Souveränetät in der Republik, d. h. in der Deinokratie,
sie mag besonders organisirt sein oder nicht, ist der Natur der
Sache nach viel ungeschickter als in der Monarchie, wiewohl auch