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Dass unter solchen Umständen, namentlich unter dem Ein-
fluss secessionistischer Gelüste und privatrechtlicher Analogien
eine Menge von staatswidrigen Dingen unterlaufen musste, ist
nur natürlich, kann übrigens nicht vom Gesichtspunkte unserer
Zeit aus beurtheilt werden. Uebrigens ist doch zu erwähnen,
dass mit den frühesten litterarischen Versuchen über das Ver-
hältniss zwischen den Fürsten und ihren Unterthanen 'schon
sehr frühe der Pflichtgedanke als der massgebende aufgestellt
worden ist.
Wie die Macht der Verhältnisse überall nachhilft, selbst
dann, wenn das Recht keinen Versuch macht, sich entsprechend
zu ändern, so änderten die sich verändernden Verhältnisse nach
und nach das alte Recht, zunächst ohne es aufzuheben oder
ein neues zu setzen, sondern nur, indem sie seine Anwendung
unmöglich machten. Die Vollendung der absoluten Fürstenmacht
und die damit verbundene Begründung eines allgemeinen Unter-
thanenverhältnisses liessen zwar die alten Institutionen feudal-
föderalen Rechtes noch fortbestehen, der Anwendung nach aber
obsolet werden, bis der Anstoss der französischen Revolution und
der in ihrem Geleite eintretenden Ereignisse den ewigen unaus-
löschlichen Rechtsgedanken in neueren Formen wieder Gestalt
gewinnen liess. Die bisher in diesen Dingen unthätige Gesetz-
gebung wurde durch die Nothwendigkeit allgemeiner Neugestal-
tung auch zur Neugestaltung des repräsentativen Gedankens ge-
zwungen.
Man meint gewöhnlich, den alten Ständen hätte jeder Gemeinsinn
gefehlt; das ist nicht richtig; sie hatten eben den Gemeinsinn in
ihrer Art, d.h. sie bethätigten ihn nicht auf Grund einer recht-
lich formirten Pflicht, sondern, formell wenigstens, als freie Gaben
der Einzelnen resp. ihrer Corporationen, Gaben, welche allerdings
grossentheils unmittelbar den Angehörigen der Herrn zur Last
fielen, die jedoch bei den damaligen wirthschaftlichen Verhält-
nissen dieser Herrn doch wieder zu einem guten Theil auf sie