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kleinste Versehen entbunden werden. Die Krankheiten des Staates
aber bestehen im staatswidrigen Thun oder Lassen von Haupt
und Gliedern; und wenn solches nie ganz fehlt oder, was nament-
lich bei unvernünftig überspannten Hoffnungen und Wünschen
leicht in der Wirkung: zunächst dasselbe, als fehlerhaft nur ange-
nommen wird, so ist es immer ein Vorzug, wenn im Ganzen ge-
achtete und an sich heilsame Gesetze die Möglichkeit gewähren,
die in den bezeichneten Mängeln liegende Krankheit ohne aufs
Aeusserste getriebene Krisen mit Erfolg zu bekämpfen und zu
heilen.
Gerade solche Stürme, welche sich noch immer innerhalb der
bestehenden Gesetze bewegen, bringen die wirkliche Lage zur
vollen Klarheit und reinigen mehr die Luft, als dass sie zerstören.
Sie drängen den Leichtsinn zur Bestimmung und ernsten Ein-
kehr, wirken dadurch auf die innere Selbstbildung und auf den
Willen, stellen aber auch die vielleicht ausserdem latent ge-
bliebenen Kräfte in jenes Licht, welches denselben das Eingreifen
zum Besten des Staates ermöglicht. Der Oonstitutionalismus thut
für die ohne ihn unausbleiblichen inneren, zum Bürgerkriege führen-
den Gewaltsgegensätze, was das Völkerrecht für die Gewaltsgegen-
sätze nach aussen, für die äusseren Kriege anstrebt. Beide
stellen den nach Entbindung strebenden elementaren Kraftfactoren
bürgerliche und humanitäre Schranken entgegen, um, ohne den
Zweck geordneter Ausgleichung der Collision zu hindern, die sonst
unvermeidlichen und nicht nur im Anfang, sondern oft langehin
schädlichen, den Ausgleich selber gefährdenden Gewaltseruptionen
thunlichst hintanzuhalten.
Wohl ist es uns bekannt, dass Viele, ja eine beängstigend
im Wachsen begriffene Zahl in absoluter Staatsfeindlichkeit die
Zerstörung alles Bestehenden wünschen und sie durch Gewalts-
eruptionen, selbst ohne Rücksicht, was daraus werden soll, ins
Werk zu setzen suchen. Immer ist die Zahl derselben noch eine
verhältnissmässig kleine, aber auch eine darum nur um so rück-