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sondern der unconstitutionellen Haltung Karls X. und seiner
Minister; und dass auch die späteren Constitutionen so wenig der
Monarchie wie zuletzt die Verfassung vom Jahre 1875 der He-
publik einen festen inneren Halt gegeben, davon ist der Grund
in der ganzen Geschichte, in dem Nationalcharakter der Franzosen,
ganz besonders aber in der Eigenart und Bedeutung, welche
Paris für das Ganze gewonnen, zu suchen.
In Deutschland, abgesehen von Mecklenburg, währte es am
längsten in Preussen und Oesterreich, bis man zu einer constitu-
tionellen Verfassung kam. In beiden Staaten bestanden alte
Dynastien, an welche sich nicht nur die staatliche Einheit, sondern
auch die ganze Geschichte der betreffenden Völker, ein zeitenweise
sehr grossartige Geschichte, anschloss. In Oesterreich prävalirte
noch immer etwas von der alten Idee des Weltkaiserthums von
Gottes Gnaden; in Preussen die Idee der unter Führung einer
Reihe glänzender Fürsten unter schweren Opfern selbst errungenen
und erhaltenen nationalen Souveränetät. Dort war es auch die
grosse Zahl ethnologisch und culturell höchst verschiedener Be-
völkerungen des Reiches, hier, wo dieser Umstand weniger in die
Wagschale fiel, das höchst persönliche Verdienst der Fürsten, was
der Verwirklichung des constitutionellen Gedankens entgegenstand.
Abgesehen von den in beiden Staaten sehr überwiegenden aus-
wärtigen Verhältnissen, kommt noch die Kraft eines feudal ge-
sinnten und höchst einflussreichen Adels sowie der Einfluss eines
mächtigen hoch entwickelten Beamtenthums in Betracht. Diesen
Elementen gegenüber hätte es nicht des auf dem Liberalismus
ruhenden Verdachts republikanischer Tendenzen bedurft, um con-
stitutionelle Bestrebungen mit dem Vorwurfe revolutionärer Um-
triebe zu belasten und selbst den loyalsten Freiheitsbewegungen
mit feindlichen Massregeln zu begegnen.
Nichtsdestoweniger sahen sich doch seit den Ereignissen
von 1848 auch diese beiden Staaten gezwungen zum Constitu-
tionalismus zu greifen; und wenn die bisherigen Resultate in den-