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Es liegt in dem Wesen einer religiösen Vereinigung begründet,
dass sie für die Zwecke ihres Oultus einen ihr allein zur Ver-
fügung stehenden Raum benutzt, einen Raum, den sie ohne
zwingenden Grund weder zu weltlichen Zwecken, noch auch zu
kirchlichen Zwecken Andersgläubiger hergibt.
Das Recht der katholischen Kirche ist folgendes*). Im All-
gemeinen ist der Gebrauch katholischer Kirchengebäude zu nicht
katholischem Gottesdienste untersagt, doch wird durch einen
solchen Gebrauch die weitere Benutzung für rein katholische
Zwecke keineswegs ausgeschlossen. Auch die Benutzung häre-
tischer Kirchen zu katholischem Gottesdienste ist ausdrücklich
zugelassen. Durch diese — sich innerlich widersprechenden —
Sätze verliert die Kirche niemals ihre Ansprüche auf von ihr
früher besessene Kirchen und sie gewinnt andererseits die Mög-
lichkeit katholischen Gottesdienstes in Gegenden, in denen dieser
sonst aus materiellen Gründen nicht durchzuführen wäre; sie
erwirbt ferner die Möglichkeit zur Entstehung von Gebrauchsrechten
vorübergehender oder dauernder Art an fremden Kirchen, wie
die katholische Kirche auch in neuester Zeit die Einräumung
solcher Gebrauchsrechte dankbarst angenommen hat’). Es wider-
streitet also dem katholischen Kirchenrechte nicht, dass katholi-
scher und evangelischer Cultus in einem und demselben Gebäude
statt finden, wohl dagegen, dass dies auf Grund freiwilliger Ein-
räumung ihrerseits geschehe.
Auch dem Rechte der evangelischen Kirche entspricht es im
Principe nur, dass sie ihre Räume lediglich zu ihren eigenen
Gottesdiensten im Gebrauche hat; sie steht aber nicht auf dem
inconsequenten Standpunkt des katholischen Rechtes, dass sie eine
Ueberlassung aus Gefälligkeit an andere christliche Confessionen
#) Zur Geschichte vgl. Hınscaius, Kirchenrecht 4, 358 ft.
?) Vgl. Hınscams, Kirchenrecht 4, 359 Anm. 8.