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Ausgang für die Systematik des Verfassers ist, im l. wie im ll. Bande,
die allgemeine Erwägung der Natur des Staates. Die leitenden Principien
des Staatslebens, welche dessen Verfassung ausmachen, drehen sich immer
um die souveräne Gewalt, gleichviel, ob von ihren Grenzen den Unterthanen
gegenüber, von ihren obersten Organen (Fürst, Gesetzgebung, Vollziehung)
oder von dem Verhältnisse die Rede sei, in welchem diese obersten Organe
zu einander stehen.
Bei Bearbeitung des Stoffes haben den Verfasser weder rein juristische
noch rein politische Gesichtspunkte geführt. Die Verfassung Englands z. B.
mit ihren überwiegend nicht-juristischen Grundsätzen, schliesst die jüngst in
Schwung gekommene, zudem von privatrechtlichen Analogien ausgehende
Behandlungsweise ohnehin aus und verlangt die Beachtung des politischen
Elementes. Der Verfasser gibt zu, dass wenn wir in der Behandlung des
Staatsrechts dem politischen Elemente Raum geben, und darunter — die
Richtung der rein äusseren Zweckmässigkeit und Fertigkeit menschlichen
Strebens verstehen, dass dann das im Recht zum Ausdruck gelangte Wesen
der Verfassung unter dem Einflusse des Subjectivismus des Autors sich
leicht verflüchtigt, und aus diesem Gesichtspunkte haben die Anhänger der
ausschliesslich juristischen Methode Recht.
Für den Verfasser ist aber das Juristische in den menschlichen Ver-
hältnissen jene Kraft, die man genau beınessen, äusserlich umschreiben kann,
das Politische dagegen, die man auf exacte Formeln zurückführen, haarklein
zu messen nicht vermag, und nur annähernd auf ihre Wirkung hin geschätzt
werden kann. Das Juristische drückt das conventionelle, das Politische das
natürliche Gewicht der staatlichen Kräfte aus, daher ist es ın rechtlich fest-
gestellten Verhältnissen äusserlich zweifellos, was einem staatlichen Factor
erlaubt ist, während in nur politisch existenten Verhältnissen das Gewissen des
betreffenden Factors den Ausschlag für die Entscheidung gibt.
In geschriebenen Verfassungen tritt das politische Element in den Hinter-
orund. Der Staat wird mechanisch, conventionell, oder der Buchstabe der
Verfassung geräth in Gegensatz zum wirklichen Leben des Staates. Nicht
so die englische Verfassung, die nicht auf einer Rechtsurkunde, sondern auf
dem freien Ringen, auf dem natürlichen Gewichte der Factoren des Gemein-
wesens beruht und zu juristischen Formulirungen nur nach Bedürfniss ihre
Zuflucht nimmt.
Wer die englische Verfassung in ihrem innersten Wesen kennen lernen
will, der muss darauf verzichten, dies nach rein juristischer Methode erreichen
zu können. (Vgl. Vorwort z. II. Bd.)
Das ConcnHa’sche Werk ist eine werthvolle Bereicherung der wissenschaft-
lichen Literatur Ungarns und wohl geeignet, der Eingangs berührten krank-
haften Erscheinung kräftigst entgegenzuwirken, sowie zur erwünschten
Correctur schiefer politischer Ansichten möglichst beizutragen.
Kaschau. St. Rössler.