Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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Privatgnadenrecht des Herrn, z. B. des Gutsherrn, Lehnsherrn, 
Gerichtsherrn u. s. w. Aber auch im heutigen Recht, welches 
ausser der elterlichen Gewalt nur ein wirkliches (nicht abgeleitetes) 
Herrschaftsrecht kennt, das des Staates, ist der Gegensatz von 
Gnade und Freigebigkeit kein absoluter. Auch auf den Verzicht 
von Privatstrafen und anderen Rechtsfolgen des privatrechtlichen 
Unrechts kann man den Begriff der Gnade anwenden; auch der 
Private kann, wie die landläufige Redensart besagt, „Gnade für 
Recht ergehen lassen“. Andererseits sind die staatlichen Rechte 
nicht bloss Herrschaftsrechte, sondern auch Vermögensrechte; 
auch der Staat ist in der Lage, „Freigebigkeiten“ privatrecht- 
lichen Charakters zu gewähren; auch der Fiskus kann auf die 
Geltendmachung von pekuniären Ansprüchen aller Art aus Grün- 
den der Billigkeit und des Wohlwollens verzichten. Solche Akte 
der Freigebigkeit sind Akte der Vermögensverwaltung; sie stehen 
der Sache nach den Freigebigkeiten der Privatpersonen gleich; 
mit Rücksicht auf die Herrschaftsrechte des Staates oder des 
Staatsoberhauptes werden sie aber als Gnadenakte bezeichnet, 
so wie man Geschenke des Landesherrn Gnadengeschenke zu 
nennen pflegt. Während in Beziehung auf Privatpersonen der 
Ausdruck Gnade nur als Höflichkeits-Redensart gebraucht wird, 
ist er die technische Bezeichnung für die Munificenz des Fürsten. 
Die beiden Gebiete des Strafrechts und des staatlichen Ver- 
mögensrechts erschöpfen nicht den Umfang der Gnade; auch alle 
anderen Gunsterweisungen des Monarchen sind Gnadenakte. Da- 
hin gehören z. B. die Verleihung von Orden, Ehrenzeichen, Titeln 
und anderen Auszeichnungen; Standeserhöhungen; die Ertheilung 
von Urlaub an Beamte in Fällen, in denen die Behörden dazu 
nicht befugt sind; die Emeritirung oder Pensionirung von Be- 
amten, welche einen gesetzlichen Anspruch darauf nicht haben; 
die Befreiung von der Erfüllung gewisser Dienstpflichten (Königs- 
urlaub). Auch die Ertheilung von Privilegien, Dispensationen, 
Concessionen u. s. w. pflegte man, soweit dieselbe vom freien 
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